Internet von lokalen Erzeugern

Als einige in Deutschland ansässige Anbieter von Internet-Dienstleistungen vor kurzem mit lautem Gegacker einen peinlichen Konfigurationsfehler fixten und endlich TLS für den Mail-Transport zwischen ihren Rechenzentren einschalteten, wurde klar, wie seitens deutscher Anbieter auf die Massenüberwachung reagiert werden soll: nämlich gar nicht. Wer TLS für die geeigneten Abwehrmittel gegen die NSA hält, hält auch de-Mail für siche…oh wait.

Worauf ich hinaus will, ist dieses: Die Marketingaktion läuft darauf hinaus, den Deutschen einen schlecht gemachten Aufguss des bio-Lebensmittel-Hypes zu verkaufen. Wir sollen ja Fleisch von lokalen Erzeugern kaufen, damit wir hinfahren können, um zu sehen, wie die Kühe wirklich leben müssen, bevor sie auf unserem Teller landen. Natürlich nur, wenn das nötige Einkommen, die nötige Zeit, die nötige Kooperationsbereitschaft des Erzeugers, … gegeben sind. Es würde mich wirklich überraschen, wenn man sich die Anzahl dieser „Begehungen“ nicht an einer Hand abzählen könnte. Die gleiche Geschichte bekommen wir jetzt mit dem Internet von lokalen Erzeugern. Es ist nur eben Bullshit, zu glauben, man könne sich vor Überwachung schützen, indem man zu einem Provider zieht, der an einem CIX hängt, zu dem die NSA einen Uplink hat.

Aber dann macht es aus anderen Gründen Sinn und der Sinn ist, dass die USA ein kapitalistisches Land sind, deren Informationswirtschaft seitens der Regierung durchaus gehört wird. Ziehen wir also alle unsere IT-Dienstleistungen, die wir eingekauft haben, aus den USA ab und gehen nach Europa, dann machen wir es der NSA zwar kein bisschen schwieriger, aber wir machen Druck auf die IT-Firmen, die sich bisher allzu tief gegenüber der eigenen Regierung bückten.

„Internet von lokalen Erzeugern“ ist technisch lächerlich und sicherheitsmäßig affig, aber übersetzt ein politisches Problem in eine Sprache, die vielleicht verstanden wird.

 

Über Kai Denker

Kai Denker studierte Philosophie, Geschichte und Informatik an der TU Darmstadt. Seitdem sitzt er an einer Promotion in Philosophie mit einem Projekt zu dem Problem der Mathematisierbarkeit von Sprache bei Gilles Deleuze. Er ist Verbundkoordinator des BMBF-geförderten Forschungsvorhabens "Meme, Ideen, Strategien rechtsextremistischer Internetkommunikation (MISRIK)".
Dieser Beitrag wurde unter Informatik, Politik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.