Forschung und Ausforschung

Nachdem ich mich an keiner Diskussion mit Fefe zu diesem Thema mehr beteiligen werde, da er nach Godwin’s Law sowieso verloren hat und auch seine Aluhut-Entourage sich nicht gerade als kultivierte Diskussionsteilnehmer vorstellen, scheint es dennoch nötig zu sein, zu klären, ob es nicht vielleicht einen Unterschied zwischen Forschung und Ausforschung gibt. Aber tatsächlich ist diese Frage trivial und jeder kann sie sich leicht selbst beantworten. Stattdessen lohnt es sich vielleicht eher, das Problem aus der Perspektive der Ethik und Praxis der Gesellschaftswissenschaften anzugehen:

  1. Niemand wird zur Teilnahme an einem Interview gezwungen. Im Gegensatz zur Ausforschung durch Detektive, V-Leute und Geheimdienste stellt ein Sozialforscher dem potentiellen Interviewpartner die Teilnahme frei. Dies betrifft auch einzelne Fragen: Niemand muss, sobald er einmal zugestimmt hat, alle Fragen beantworten und sollte, sofern er es nicht ohnehin irgendeinem Fremden anvertrauen würde, es besser auch nicht tun. Fefes Don’t-talk-to-Scientists betrifft also nur ethisch arbeitende Wissenschaftler, die sich als solche zu erkennen geben. Natürlich kann jemand lügen und sich als Wissenschaftler ausgeben, wo er eigentlich „ausforschen“ will.* Ebenso kann man bestechen, schmeicheln oder überreden – social engineering eben. Allein: Die Fachethik verbietet es und so gewonnene Ergebnisse werden von den seriösen Fachzeitschriften nicht veröffentlicht werden.
  2. Der Interviewpartner wird vorab über Art, Umfang und Zweck der Forschung informiert. Natürlich kann jemand an dieser Stelle lügen.*
  3. Der seriöse Sozialforscher ist bereit Fragen über seine Forschung zu beantworten. Dies betrifft insbesondere Finanzierung und Auftraggeber. Natürlich kann man lügen und sich eine hübsche Coverstory zurecht legen.*
  4. Es wird Anonymität gewährleistet. In soziologischen und ethnologischen Studien wird die Anonymität der Interview-Partner gewährleistet. Dies betrifft nicht nur Namen, sondern alle Hinweise, die möglicherweise die Identität eines Interview-Partners aufdecken könnten. In einer solchen Studie würde man dann eher lesen, dass K. ein „regelmäßiger Besucher eines Hackerspaces in Süddeutschland“ ist, aber nicht dass F. ein „guter Freund eines männlichen CCC-Sprechers“ ist. Natürlich kann jemand lügen und Informationen hintenrum an Dienste weitergeben.*
  5. Fefe ist nicht interessant. Sozialforscher interessieren sich nicht für das Einzelschicksal irgendeines singulären Hackers, sondern – verkürzt gesagt – für Entwicklungsdynamiken. Es ist nicht einmal wirklich interessant, wie z.B. der CCC heute aufgebaut ist, ohne die Frage zu stellen, wie es zu dieser Strukturbildung gekommen ist. Wer glaubt, dass Sozialforscher Studien über einzelne Hacker erstellen wollen, glaubt auch daran, dass Guido Knopp eine methodisch innovative Geschichtsforschung betreibt: Die Zeit von Heldengeschichten oder statischen Strukturen ist in der Sozialforschung lange vorbei. Heute stellt man Fragen wie sich wiederholende Praktiken beispielsweise in Bezug auf die Räumlichkeit von Hackerspaces entwickeln. Die Frage nach den Aushandlungsprozessen, die die Reinigung der Küche eines [mittelgroßen Hackerspaces in Süddeutschland] regeln sollen, sind für Sozialforscher viel spannender als die üblichen Horrorszenarien paranoischer Aluhüte. Ebenso interessieren sich Sozialforscher auch nicht dafür, wer auf Twitter wem folgt, sondern wie sich dort Kommunikationsdynamiken über Tausende von Tweets entwickeln. Wenn Fefe also glaubt, dass „wir“ uns für ihn persönlich interessieren, dann nimmt er sich einfach viel zu wichtig. Natürlich kann man nebenbei heimlich weitere Daten sammeln…*
  6. Es gilt das Archivrecht. Historiker arbeiten nicht mit Interviews, sondern in Archiven, also mit gesammelten Überrests- und Traditionsquellen, die einen gewissen zeitlichen Abstand zur Gegenwart haben. Das Bundesarchivgesetz, das den Zugang zu den Archiven des Bundes regelt, legt fest, dass Archivgut erst nach 30 Jahren der Forschung zugänglich gemacht werden darf. Bezieht sich das Archivgut auf natürliche Personen, darf es erst 30 Jahre nach deren Tod beziehungsweise 110 Jahre nach deren Geburt, sofern das Todesdatum nicht ermittelt werden kann, der Forschung verfügbar gemacht werden. Eine Ausnahme bildet hierbei z.B. des Archiv des deutschen Bundestages, in dem das Archivgut der vorvorletzten Legislaturperiode zugänglich gemacht wird, wobei auch hier Archivgut, das natürliche Personen betrifft, weiterhin gesperrt bleibt. Es wird also gegenwärtig das Archivgut vom Anfang der 1980er zugänglich – und wann ist der CCC gegründet worden? Siehse! – Natürlich kann man als böser Geheimdienstmitarbeiter von großzügigen Ausnahmeregelungen Gebrauch machen und auf alles lange vor den Historikern zugreifen.

*  Ich habe in dieser (durchaus unvollständigen) Liste einige Sätze markiert. Überlegt Euch bitte mal, was hieran ausschließlich Sozialforscher betrifft und ob nicht auch der Nerd next door Informationen weitergeben könnte. Genausowenig wie man Wissenschaftlern mehr trauen sollte als allen anderen, sollte man Nicht-Wissenschaftlern mehr trauen als Wissenschaftlern. Wenn Fefe also ein Don’t-talk-to-Scientists ausruft, dann muss daraus – sofern es nicht zwar erlaubte, aber dennoch ziemlich irrationale Willkür sein soll – ein Don’t-talk-to-anyone folgen. Nochmal: Es ist erlaubt, sich einen Aluhut aufzusetzen und niemandem zu trauen und wer heikle Dinge tut, tut auch sicher gut daran, überaus vorsichtig zu sein. Dies aber pauschal zu verallgemeinern, ist schlicht verstrahlte Paranoia.

Ich glaube ja eher, dass Fefe und auch sein Stichwortgeber in dieser Sache einfach keine Ahnung haben, was die Gesellschaftswissenschaftler wirklich tun und wofür sie sich wirklich interessieren. Irgendein Berliner CCC-Klüngel gehört jedenfalls nicht dazu.

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Mit Fefe im KZ?

Fefe hat gestern einen Aufruf veröffentlicht, nicht mehr mit Wissenschaftlern zu reden. Ich habe ihm darauf eine E-Mail geschrieben, in der ich versucht habe, ihm einige Argumente gegen seinen Aufruf zu nennen. Fefe hat darauf reagiert und ich finde seine Antwort – kurz gesagt – verstrahlt. Da Fefe ja selbst immer Medienkompetenz fordert, dokumentiere ich meine E-Mail an ihn hier und es kann sich ja jeder selbst überlegen, ob Fefe meinen Argumenten gerecht geworden ist:

Lieber Fefe,

ich wundere mich sehr über Deinen Aufruf, nicht (mehr) mit Wissenschaftlern zu reden. Ich selbst forsche seit Jahren zu „Internet-Subkulturen“ und versuche, die bisherige Forschung in diesem Bereich aus ihrer soziologischen Blindheit und ihrer medienwissenschaftlichen Anekdotenhaftigkeit herauszuholen. Ein Ergebnis dieser Forschung war, dass Aktionen wie der Btx-Hack auch in der CDU schon den 1980er Jahren Denkprozesse ausgelöst hat, die wir eigentlich nur begrüßen können: Damals hatte sogar die CDU sich im RechtsA des BTages dafür eingesetzt, den §202a StGB zu entschärfen. (Dass es anders kam, hat verwickelte Gründe, die eigentlich nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprachen.) Ich habe dazu auf dem 28c3 einen Vortrag gehalten. Ursprünglich wollte ich weitergehen und hätte gerne mehr zu den Dynamiken zwischen der Gründungszeit des CCC und dem Staat gemacht. Eine Idee dabei war ganz grob, die „Missverständnisse“ auf beiden Seiten zu kartieren. Leider war es unmöglich, trotz mehrmaliger Versuche, mit dem „inneren Zirkel“ des CCC ins Gespräch zu kommen, sodass sich auch meine Doktorarbeit nun etwas verschoben hat und der CCC nur noch am Rande vorkommt. Insofern bin ich schon sehr verärgert, dass Du einen Aufruf schreibst, sich nicht mehr mit Wissenschaftlern zu unterhalten. Ich kenne einige Doktoranden, die ihre Forschungsfragen gegen verknöcherte Profs verteidigen müssen und jetzt wohl auch noch mehr Probleme bekommen werden, an Archive oder Interview-Partner zu kommen.

Du wirst einwenden, dass auch der Staat oder die *-Mafia sich dieser Methoden bedient, um mehr über die Szene zu erfahren und dass Forschung, wie ich sie betreibe, diesen Leuten auch noch in die Hände spielt. Ich halte das aber für zu kurz gedacht:

(1) Die allermeisten Forschungsprojekte zur „Netzkultur im aller weitesten Sinne“ werden von jungen Nachwuchsforschern auf befristeten Stellen betrieben, die in beschissenen, d.h. prekären Situationen irgendwie überleben müssen und Wissenschaft mit viel Idealismus betreiben. Ich selbst verwerte mein Informatik-Diplom nicht wirtschaftlich, weil mich meine Forschung wirklich interessiert. Meine empirische Arbeit ist abgeschlossen und ich bin von Deinem Aufruf nicht mehr betroffen, aber dennoch finde ich ihn überaus ungerecht gegenüber meinen Fachkollegen, die jetzt gegen Mauern rennen werden und bei der Entscheidung über Stellenverlängerungen Ergebnisse vorweisen müssen.

(2) Wissenschaft ist immer ambivalent. Forschungen an Krankheitserregern kann Biowaffen möglich machen und neue Behandlungsmethoden hervorbringen. Kryptologie versucht auch an Universitäten, Verfahren zu brechen und CTF-Contests beherbern die Unis nicht aus gutem Willen: Mein Krypto-Prof sagte in der VL mal, dass man das auch mache, um mit den Geheimdiensten mithalten zu können, denn wenn seine Gruppe ein Verfahren brechen kann, dann ist die Annahme plausibel, dass es auch die Dienste können. Es ist ebenso plausibel, dass die *-Mafia oder der Staat notfalls aufs subtilere Formen der Ausforschung zurückgreifen wird. Mit dem passenden Aluhut kann man sich hier eine Menge ausdenken. Bei der Erhebung von empirischem Material schließt ein „redet nicht mit Wissenschaftlern!“ also nur die richtigen Wissenschaftler aus, aber nicht das Böse selbst. Ein zweiter Punkt steckt darin: So wie ITSec/Krypto auch uns dient, unsere Schutzfähigkeiten zu verbessern, kann eine gute Forschung uns helfen, unsere eigenen Mechanismen besser zu verstehen und uns vielleicht sogar zu immunisieren. Beispielsweise ermöglicht es die Forschung zu Kommunikationsmechanismen bei den Piraten nicht nur den anderen Parteien, die Piraten öffentlich vorzuführen, sondern auch den Piraten über die eigenen Trigger zu reflektieren. Was nutzt es den Piraten, wenn die CDU weiß, wie man einen Shitstorm unter Piraten-Landesverbänden auslösen kann, die Piraten aber selbst unreflektiert ausgeliefert sind? So wie es uns nutzt, Sicherheitslücken zu kennen, die auch von anderen gefunden und ausgenutzt werden können, kann die „Selbstaufklärung“ über uns helfen, verschiedenen Überwachungs- und Kontrollmechanismen beim social engineering oder bei fieseren PsyOps-Sachen nicht mehr auf den Leim zu gehen. Wie z.B. die Beteiligung an Verfahren beim BVerfG den CCC verändert (und das passiert), ist nicht sonderlich gut verstanden und die meisten Chaoten finden das einfach gut, fürchte ich. Sozialforschung kann hier zu einer differenzierteren Sicht beitragen – dazu muss sie aber gut gemacht sein und das geht nur, wenn man mit den Leuten redet.

(3) Forschung findet statt, auch öffentliche, auch mit schlechten Quellen. Es ist in den Sozialwissenschaften, aber auch den Geschichtswissenschaften akzeptiert, dass man mit den Quellen arbeitet, die man eben hat. In meinem Paper zum Btx-Hack hatte ich seitens des CCC z.B. nur, was eh schon öffentlich zugänglich war. Wenn es sich dabei um ein Zerrbild handelt, dann habe ich dieses Zerrbild fortgeschrieben. Redet man nicht mit Wissenschaftlern (oder belügt sie sogar), dann bekommt man schlechte Forschung und am Ende vermutlich ein Zerrbild, dass Hacker als Kleinkriminelle darstellt etc. – z.B. haben die Arbeiten von Gabriella Coleman zu Anonymous gezeigt, wie stark eine rechtsstaatlich-demokratische Ideologie bei Anonymous verbreitet ist und wie sie sich immer wieder gegen die bloßen Trolle behaupten kann. Ohne ihre Arbeiten würden wir vermutlich Anonymous noch immer bloß als „the Internet hate machine“ begreifen. Ich war letztes Jahr bei Coleman in Montréal und sie erzählte, wie sie zu Expertenbefragungen bei US-Diensten geladen wird und dort dann erstmal erklären muss, dass Anonymous gerade keine Terrororganisation ist. Ohne Coleman hätte das FBI Daten von Sabu bekommen. Großartig.

Ich hoffe, ich konnte Deine sehr pauschale Verurteilung von Studien zu Hackern und Piraten etwas in Frage stellen. Falls nicht, würde ich mich freuen, wenn Du mir ein Argument schreiben würdest. Falls doch, würde ich mich wirklich freuen, wenn Du Deinen Blogpost relativieren würdest: Es gibt diese Arschloch-„Forscher“, aber Leute wie ich wollen einfach nur unseren Job machen.

Liebe Grüße,

Kai

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Die Wohnungsnot in Darmstadt – überraschende Fronterfahrung

Wie ich schon auf Twitter jammerte, ist mein Vodafone-DSL in meiner Wohnung am Montagabend ausgefallen. Vodafone hat sich soweit auch sehr vorbildlich bemüht und mir heute einen Telekom-Techniker vorbeigeschickt, um die Leitung zu prüfen. Hier gibt es (bisher) nichts zu meckern. Was mich erschreckt ist eine „Nebenfolge“, für dich ein wenig ausholen muss:

Aufgrund vieler schlechter Erfahrungen mit verschiedenen Paketzustelldiensten bin ich hinreichend paranoid und habe für den Fall der Fälle meine Handynummer neben das Klingelschild gehängt. Schließlich ist meine Gegensprechanlage kaputt, ich könnte gerade im Keller sein, … whatever – Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und ich bin auf Internet-Entzug. Als ich gestern nacht um 1:00 nach Hause kam, hing ich also einen Zettel auf, der den lieben „Vodafone/Telekom-Techniker“ adressierte, meine Anwesenheit im Haus betonte und eben meine Handynummer verzeichnete. Nach dem Besuch des Technikers entfernte ich gegen 11:30 heute den Zettel wieder.

Diese 10½ Stunden haben offenbar gereicht, um meine Handynummer (trotz eindeutiger Zweckbestimmung) unter einer Teilmenge Darmstädter Wohnungssuchender zirkulieren zu lassen: Ich hatte gerade den zweiten Anruf, ob ich ein Zimmer zu vermieten hätte. Da wäre doch so ein Zettel gewesen, nein, man habe den nicht selbst gelesen, da habe ein Mann geschaut, der kaum Deutsch könne… – Bitte wie krass ist es mittlerweile in Darmstadt? Es mag ein Zufall sein, aber ein gruseliger allemal…

 

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R.I.P. Aaron Swartz

F2C2012: Aaron Swartz keynote – „How we stopped SOPA“:

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Leseliste Technikphilosophie

Nach meinem Rant über die „Technikphilosophievergessenheit“ der meisten Diskussionen zur „Netzphilosophie“ wurde ich gebeten, eine Leseliste zusammenzustellen. Dieses Dokument versteht sich als ein erster, kleiner Anfang. Kommentare (auch Ergänzungen) sind willkommen.

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Das medienphilosophische Sammelalbum

Friedrich Kittler:

 

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Na super…

Nachdem meine Weisheitszahn-OP vor einigen Monaten so schief gegangen war, dass ich einige Wochen kaum oder gar nicht arbeiten konnte, ist es jetzt eine Bronchitis. Irgendwas will offenbar nicht, dass ich die Diss fertig kriege… aber wer ist so böse?

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Deleuze und Mathematik

Mir wird zunehmend unverständlicher, wie Autoren wie z.B. Badiou oder Hughes auf die Idee gekommen sind, man solle/dürfe die Bezüge auf Mathematik bei Deleuze in Differenz und Wiederholung oder Deleuze/Guattari in den Tausend Plateaus nicht allzu ernst nehmen. Badiou nennt die Bezüge beispielsweise metaphorisch.

Es ist sicher richtig, dass viele Bezüge nicht allzu genau sind und/oder sich auf historische Formen der Mathematik oder der Physik beziehen. So lässt sich die Diskussion der Infinitesimalrechnung in Differenz und Wiederholung nur dann verstehen, wenn man die Axiomatisierung der Analysis im 19. Jahrhundert ausblendet. Ebenso ist die Verwendung des Begriffs „Tensor“ im 4. Kapitel der Tausend Plateaus nicht mehr aktuell: Dieser bezeichnet historisch eine mathematisch/physikalische Modellierung von Spannungen, heute aber eine Verallgemeinerung von Matrizen. Es lassen sich viele weitere Beispiele finden, etwa wo Deleuze in Differenz und Wiederholung Differentialgleichungen zwar nicht ausdrücklich diskutiert, aber unter der Hand doch an ihnen den Unterschied zwischen Problem und Lösung einführt.

Dennoch sind die Referenzen auf die Mathematik alles andere als abwegig, solange man bereit ist, sie nicht streng axiomatisch, sondern problematisch zu interpretieren, etwa wo sie als Modelle für eine abstraktere Überlegung oder als exemplarische Lösung eines Problems eingeführt werden. Es drängt sich mir immer stärker der Verdacht auf, Zugänge, die die mathematischen Bezüge geringschätzen, machten es sich allzu einfach und soweit ich sehe, gibt – vielleicht mit Ausnahme von Manuel de Landas Arbeiten – noch keine systematischen Analysen, die diese Bezüge verfolgen und dabei auch über Differenz und Wiederholung hinausgehen. Tatsächlich scheinen mir die Bezüge auf die Mathematik das stärkste verbindende Element zwischen Differenz und Wiederholung und den Tausend Plateaus zu sein.

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Über den Dogmatismus in der analytischen Philosophie

Die letzten Tage hatte ich den Eindruck, dass die Einschläge näher kommen: Schon seit Jahren breitet sich die analytische Philosophie auch auf dem alten Kontinent aus und trägt auch hier ihre Selbsternennung zu einzigen wissenschaftlichen Philosophie mit einer Attitüde vor sich her, die man bisher nur aus den theologischen Seminaren kannte. Hier, im beschaulichen Darmstadt, haben wir die analytische Philosophie bisher wohl eher mit einem skeptischen Interesse wahrgenommen. Mit Interesse, da die Autoren dieser Traditionslinie durchaus gelesen werden, aber zugleich mit Skepsis, da kaum jemand bereit war, die genannte Attitüde unkritisch zu übernehmen.

Meine heile Welt wurde aber in den letzten Tagen gleich zweimal erschüttert: Erst beschimpfte[!] mich ein Wittgenstein-Fan auf Facebook, da ich ein seiner Ansicht nach „philosophisches“ (also für einen Wittgensteinianer letztlich: unsinniges, metaphysisches) Argument gebracht hätte. Ironischerweise wählte er als Vorwurf, ich sei ein Postmodernist. Tatsächlich tue ich mich schwer, mir so ein Label anzukleben, da ich Wittgenstein ebenso lese wie Deleuze und in beiden Fällen versuche, die jeweiligen Argumente ernst zu nehmen. Aber selbst wenn: Mein Argument, an das ich mich – ehrlich gesagt – nicht mehr erinnere, war gewiss nicht postmodern, auch wenn es sicher die Grenzen eher orthodoxer analytischer Lesarten strapaziert haben mag. Das Resultat, das hier von Interesse ist, ist aber eher, dass die Kommunikation über die scheinbaren Schulgrenzen hinweg scheiterte.

Für die zweite Erschütterung muss ich ein klein wenig weiter ausholen: Vor zwei, vielleicht drei Jahren besuchte mich ein junger Bursche, der sich gerade anschicken wollte, ein Studium aufzunehmen, um mit mir über meine „ungewöhnliche“ Kombination aus Philosophie und Informatik zu sprechen. Er war voll von Fragen und ich war voll von – natürlich hochsubjektiven! – Antworten. Natürlich lag und liegt es mir fern, anderer Leute Pläne zu determinieren, aber ich war schon etwas enttäuscht, als ich gestern erfuhr, dass er sich für die analytische Philosophie in Kombination mit Informatik entschieden hatte. Ich hatte hier immer den Eindruck, man pause die formalen Grundlagen der Informatik bloß auf die Philosophie durch und nehme allenfalls kosmetische Erweiterungen vor. Ohne die Voraussetzungen der analytischen Philosophie lassen sich meiner Ansicht nach zahlreiche Aspekte der Informatik analysieren, die durch vorschnelle Formalisierung verstellt werden.

Diese zweite Erschütterung beklagte ich nun – erneut – auf Facebook, wo ich gefragt wurde, was das Problem sei. Ich antwortete, dass die analytische Philosophie ja wohl die „dogmatischste Scheiße“ sei, „die man sich vorstellen kann“. Jeder/m dürfte klar sein, dass Facebook schwerlich ein brauchbares Medium für eine philosophische Diskussion ist. (Tatsächlich ist nicht einmal ein persönliches Gespräch ein solches. Am besten diskutiert es sich in der Philosophie mittels Büchern und Aufsätzen – aber nicht, weil wir immer so viele Worte bräuchten, sondern eher, weil die hohe Geschwindigkeit uns nicht gut tut. Leider ist es tatsächlich sogar so, dass die analytische Philosophie mit hohen Argumentationsgeschwindigkeiten besser umgehen kann. Die Konzepte der kontinentalen Philosophie sind zu komplex, zu verwickelt und zu heterogen.)

Die Antwort auf meinen polemischen Einwurf ist natürlich naheliegend: Ohne weiteres ist dieser selbst äußerst dogmatisch, pauschal und unphilosophisch. Zum Glück habe ich aber einen Teil einer längeren Antwort schon ausgearbeitet und veröffentlicht: In meinem Buch über Wittgenstein und Frege habe ich versucht, ein Licht auf einen Dogmatismus eines Linie in der analytischen Philosophie zu werfen. Es scheint, dass die analytische Philosophie es bisher nicht verstanden hat, das Verhältnis von Logik, dem Ereignis in der Zeit und der Sprache überhaupt zu klären, ohne in einen Dogmatismus zu fallen.

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Was ist eigentlich mit Kai?

Entsetzt muss ich feststellen, dass mein letzter Post drei Monate her ist… Oh Himmel, bin ich so faul gewesen? Nein: Ich war richtig fies krank und versuche jetzt meine Doktorarbeit noch in der verbleibenden Zeit fertig zu kriegen. Die Ruhe hier ist also keine Friedhofsruhe, sondern eher die Ruhe vor dem Sturm. 🙂

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