Gerade schwurbeln sich einige auf Facebook mal wieder – es geht eigentlich um den Schutz von Kindern vor Zeckenbissen – den üblichen Scheissdreck zurecht, den man sich so zurecht schwurbelt, wenn man dumm oder böse ist. Nachdem einige Stunden vernünftig diskutiert wurde und auf die Gefahren von FSME & Co, die Impfmöglichkeiten, die nötige Kontrolle und die fachgerechte Entfernung von Zecken hingewiesen wurde, kam dann doch dies:
- Irgendein Salatkraut D6 schütze vor Zecken.
- Teebaumöl sei toll, da ist nämlich gar keine böse Chemie drin.
Wenn jemand unbedingt mit einem wörtlichen oder sprichwörtlichen Hirnschaden durch die Welt laufen möchte, dann ist mir das ja mittlerweile irgendwo egal. Ich sehe aber noch immer rot, wenn diese Leute ihre eigenen Kinder in Gefahr bringen, weil sie unreflektiert irgendeinen Dünnschiss nachlabern, der ihnen in Friseurkäseblättchen oder anderem Altpapier vorschwadroniert wurde. Ich halte diese Menschen für wahlweise dumm oder böse, auf jeden Fall aber überaus gefährlich und ich kann nur hoffen, dass Ärzte oder notfalls auch zuständige Ämter eingreifen, bevor ihren Kindern durch Hokuspokus irgendeiner Art ein Übel widerfährt. Man muss schon eine sehr narzisstische Gestalt sein, um das eigene Recht-haben-wollen über das Wohl der eigenen Brut zu stellen… wenigstens, so könnte man zynisch sagen, würde sich ein mögliches Bullshit-Gen so schneller rausmendeln.
Wenn ich aber in solchen Diskussionen widerspreche und auf die Gefahren von Dummheit, Homöopathie und Schwurbeley hinweise, dann trifft mit Sicherheit nach kurzer Zeit immer mindestens einer der folgenden Sätze zu:
- Jemand thematisiert meinen Namen.
- Jemand noch den letzten Dünnschiss in Richtung eines „Meinungsfreiheitsarguments“.
- Jemand macht sexistische Unterstellung.
- Jemand versucht sich an einem paternalistischen Tonfall.
- Jemand führt einen Reigen von wirren Pseudoargumenten auf. (Episch: „Seit wann stimmt, was in der Wikipedia steht?“, sobald man auf dort verlinkte Studien verweist.)¹
Interessanterweise gibt es ein Phänomen, dass sich Frauen, meistens nach kurzer Zeit als Mütter zu erkennen, zu Kleingruppen zusammenschließen und dann umso heftiger ihren wirren Bullshit verteidigen. Ich habe dazu keine belastbare Messung durchgeführt, kann also den Eindruck nicht wirklich verobjektivieren, aber es scheint, dass es hier einen Genderbias gibt, der ehe Frauen dazu bringt, an Hokuspokus zu glauben. Eine genderneutrale Erklärung für diesen Eindruck wäre mir sehr willkommen. Ich finde das nämlich arg verwirrend.
¹ Diese Dummheit bringt mich ja auf die Idee, ob man vielleicht einfach dadurch jeden beliebigen Schwachsinn entkräften kann, indem man ihn in der Wikipedia verlinkt… Ja, ich weiß, dass es so nicht funktioniert.
Ein paar Randomgedanken
– Denke bei „dumm oder böse“ an das Lied der Partei („Wer das Leben beleidigt ist dumm oder schlecht / Wer die Menschheit verteidigt hat immer recht“). Will sagen, bei aller Notwendigkeit zur möglichst scharfen Abgrenzung, vielleicht erfordert das Problem von Ideologie ein aufwendigeres herangehen …
– Halte „epische Pseudoargumente“ für den Knackpunkt: Auf welche weise wird bei vielen Häufig im Alltag Plausibilität hergestellt. Also eigentlich eine der spannenderen Fragen, da sowohl in psychologische, als auch erkenntnistheoretische (gut und mit Fallacies auch argumentationstheoretische) Bereiche verweisend
– Ad Hoc Erklärung für den Geschlechterbias wäre, daß Frauen* oftmals stärker Anrufungen von „irrational/emotional“ ausgesetzt sind, da liegt es nahe, die wertigkeit umzudrehen und sich das mit derartigen Weltbildern „aneignen“ zu wollen. Wobei: Mehr als n=30 müßtest Du doch mittlerweile zusammenhaben, also was hält Dich ab von „belastbaren Messungen“?
Naja, auch bei n=30 hab ich ja noch immer einen subjektiven Bias und ich kann den ohne ordentliche Methode keinesfalls ausschließen. Selbst mit Methode ist das ja schwer genug. Ich finde es an dieser Stelle einfach nur wirr…
Nur noch kurz zu dem Ideologie-Argument: Ich sehe nicht, wie man diese Ideologie angehen sollte (sofern es eine ist). Homöopathie und Esoterik sind geschlossene, in sich kohärente Verschwörungsweltbilder, die auch dann noch funktionieren, wenn sie sich dem Realitätstest verleugnen. Ich fürchte aber, es ist eher ein psychiatrisches als ideologisches Problem, das Menschen dazu bringt, an irgendeine wirre Magie in Zuckerkügelchen zu glauben. Damit meine ich nicht notwendigerweise eine Psychose. Es kann ja schon sein, dass der Esoterikglaube irgendeine andere Funktion in einem ansonsten halbwegs funktionierendem Denksystem ist.