Ist Gödel Gott?

Eigentlich wollte ich dieses Paper ja ignorieren, aber da mich zwei Freunde darauf angesprochen haben, schreibe ich doch etwas über diesen „Gottesbeweis“. Gemeint ist das zweiseitige Paper „Formalization, Mechanization and Automation of Gödel’s Proof of God’s Existence“ von Christoph Benzmüller und Bruno Woltzenlogel Paleo, dem die Telepolis auch ein Interview gewidmet hat.

Die Autoren behaupten, sie hätten Gödels (ontologischen) Gottesbeweis mit einem bisher nicht erreichten Grad „of detail and formality“ mittels einem Theorembeweisers untersucht. Akzeptieren wir das, auch wenn es sicher mehr über Gödels Beweis zu sagen gäbe als zwei Seiten. Und hinterfragen wir auch nicht die Rolle von Theorembeweisern, auch wenn es seitens radikaler Auffassungen platonischer Mathematiker dazu sicher das ein oder andere zu sagen gäbe. Unterstellen wir auch, die Autoren hätten sonst keinen Fehler gemacht.

Was haben sie dann bewiesen? Jedenfalls nicht, dass Gott existiert, sondern dass aus den von Gödel postulierten und von Dana Scott formalisierten Voraussetzungen (Axiome und Definitionen) Gödels tatsächlich die Konklusion folgt, dass Gott notwendigerweise existiert. Es handelt sich also nicht ein apodiktisches, sondern um ein hypothetisches Urteil: Gott existiert notwendigerweise dann, wenn die Voraussetzungen zutreffen. Ob die Voraussetzungen zutreffen, ist nicht Gegenstand des Papers, von Gödels Beweis oder des Telepolis-Interviews. Doch was sind die Voraussetzungen, die zutreffen müssen, damit Gott beweisbar existiert? Unter anderem diese (Ich habe die Folgerungen weggelassen und nur der Lesbarkeit halber, einige Umformulierungen vorgenommen. Im Zweifel gilt der Originaltext):

  • Axiom 1: Eine Eigenschaft ist entweder positiv oder seine Negation ist positiv. „positiv“ bezeichnet dabei nicht einen Wahrheitswert, sondern ein Prädikat, wie es im ursprünglichen ontologischen Gottesbeweis auftritt.
  • Axiom 2: Eigenschaften, die von positiven Eigenschaften impliziert werden, sind positiv.
  • Definition 1: Eine Entität, die die Eigenschaft Gott-artig hat, besitzt alle möglichen positiven Eigenschaften.
  • Axiom 3: Die Eigenschaft, Gott-artig zu sein, ist positiv.
  • Axiom 4: Alle Eigenschaft, die positiv sind, sind notwendigerweise positiv.
  • Definition 2: Die Essenz eines Individuum ist eine Eigenschaft, die ihm zukommt und die jede Eigenschaft des Individuum notwendigerweise impliziert.
  • Definition 3: Die Eigenschaft der notwendigen Existenz eines Individuums implizit notwendigerweise, dass alle seine Essenzen der Fall sind.
  • Axiom 5: Die Eigenschaft der notwendigen Existenz ist eine positive Eigenschaft.

Hinzu kommt die Voraussetzung („Axiom 0“), dass die Logik KB geeignet ist, um ontologisch valide Aussagen über das Universum zu machen. D.h., dass angenommen werden muss, dass das Universum ein Modell der Logik KB sein muss. Das ist nicht trivial, da es ja durchaus sein könnte, dass das Universum eigentlich überaus wirre Eigenschaften hat, während es bloß logisch in den Bereichen ist, die wir uns bisher angesehen haben. Bösartig gesagt unterliegt auch die Logik der Notwendigkeit einer Bewährung(, aber darüber werde ich mich nicht streiten).

Schauen wir uns also die Axiom 0-5 an. Es ist sofort klar, dass jeder Satz einen großen ontologischen Aussagegehalt hat, d.h. dass er starke Behauptungen darüber aufstellt, welche Eigenschaften das Universum hat, und es dürfte auf der Hand liegen, dass wir damit schon weit außerhalb dessen sind, was wir wissen können. Es geht schon damit los, dass die Behauptung, aus positiven Eigenschaften folgten nur positive Eigenschaften, ziemlich heikel ist, sofern man unter positiv eine Art Wertzuschreibung verstehen möchte. Es muss dann objektive Werte geben, die eine bestimmten Struktur gehorchen. Die formale Logik muss sich darum natürlich nicht kümmern, sondern schließt dieses Problem in der Formalisierung aus: An der Stelle von positiv kann im Beweis jede andere Eigenschaft stehen. In Frage kommt z.B. die Eigenschaft rachsüchtig. 😉

Wird also zurecht wegen des Papers laut gegackert? Nein. Die Forschung an Theorembeweisern ist wichtig und spannend, keine Frage. Aber auch hier ist das Paper wenig ergiebig, da es nur sagt, was gemacht wurde, aber nicht wie es genau gemacht wurde. Ich bin kein Experte für Theorembeweiser und kann daher nicht beurteilen, wie revolutionärneu die eingesetzten Techniken sind, die das Paper referenziert. Wie dem auch sei: Theorembeweiser bewegen sich innerhalb formaler Systeme und können daher eben nur Aussagen über formale Systeme treffen. Ontologische oder andere philosophische Probleme sind damit noch gar nicht berührt. Entsprechend gering ist daher auch der Aussagegehalt des Papers für die Philosophie: Wir wissen nun, dass in der KB-Logik Gödels Beweis folgerichtig ist, aber ob der Beweis ontologisch wahr ist, wissen wir kein bisschen mehr als vorher. Die einzige Sicherheit, die hinzugekommen ist, ist, dass Gott in einem hinreichend wirren Universum, nämlich in einem Universum, das die geforderten Axiome erfüllt, notwendigerweise existiert. Ob unser Universum hinreichend wirr ist, wissen wir nicht.

Über Kai Denker

Kai Denker studierte Philosophie, Geschichte und Informatik an der TU Darmstadt. Seitdem sitzt er an einer Promotion in Philosophie mit einem Projekt zu dem Problem der Mathematisierbarkeit von Sprache bei Gilles Deleuze. Er ist Verbundkoordinator des BMBF-geförderten Forschungsvorhabens "Meme, Ideen, Strategien rechtsextremistischer Internetkommunikation (MISRIK)".
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3 Antworten zu Ist Gödel Gott?

  1. Christoph Benzmüller sagt:

    Herr Denker, Sie schreiben:

    „Die Forschung an Theorembeweisern ist wichtig und spannend, keine Frage. Aber auch hier ist das Paper wenig ergiebig, da es nur sagt, was gemacht wurde, aber nicht wie es genau gemacht wurde. “

    Lesen bildet! Wenn Sie den 2-seitigen Artikel der beiden Wissenschaftler etwas genauer studieren, dann finden Sie darin unter Referenz 17 eine Verweis auf das Github repository der beiden Autoren mit sämtlichen Quellen zur Arbeit: https://github.com/FormalTheology/GoedelGod

    Sogar Sie selbst können sich nun also mit dem Theorembeweisen und der logischen Qualität von Gödel’s Beweis näher beschäftigen … wenn Sie denn wollen. Aber das ist harte Arbeit.

    Im übrigen sagt das Papier an keiner Stelle, dass Gödel’s Gottesbeweis ontologisch wahr ist. Lediglich zur logischen Argumentation wird eine Aussage getroffen, oder?

    C. Benzmüller

  2. Kai Denker sagt:

    Lieber Herr Benzmüller,

    vielen Dank für den Verweis auf FN17. Es liegt vermutlich an meiner etwas anderen Fachkultur, aber ich finde es schwierig, etwas so wesentliches nur mit einem Verweis auf GitHub zu referenzieren. Gelegentlich werde ich aber mal reinschauen, sofern meine Arbeit es wieder zulässt.

    Ich glaube, ich habe auch nicht unterstellt, das Paper würde behaupten, Gödels Beweis wäre „ontologisch wahr“. Ich wurde aber im Bekanntenkreis darauf angesprochen, da weniger fachkundige Leser_innen, anscheinend gerade auch nach dem Telepolis-Interview, irritiert waren und Aufklärung begehrten. Ich hoffe, ich konnte in meinem Beitrag klar machen, dass die ontologische Wahrheit des Beweises an Faktoren hängt, die von dem formalen Beweis noch gar nicht berührt sind. Mein Beitrag war also weniger eine Kritik des Papers als Arbeit zu Theorembeweisern für Modallogiken. Vielmehr verstehe ich ihn als Beitrag zur Popularisierung. Ich schreibe ja auch, dass die Arbeit an Theorembeweisern sehr wichtig und interessant ist.

  3. Christoph Benzmüller sagt:

    Lieber Herr Denker,

    kein Problem, das überlesen einer Referenz kann passieren.

    Mein Vorschlag war übrigens ernst gemeint: Sie und Ihre Leser sind herzlich eingeladen, die Quellen unter github zu studieren und zu attackieren.

    Ihre Seite ist übrigens bisher die einzige auf der ich mich persönlich mit einem Kommentar melde. Auf Telepolis erschien mir das vollkommen unsinnig. Mein Eindruck ist, dass etwa 80-90% der Kommentierenden lediglich auf die Überschrift reagierten, quasi aus der Hüfte ohne das Gehirn einzuschalten, oder ohne das Interview wirklich gelesen zu haben. Bis zu einem gewissen Grad hatte ich das auch erwartet. Auf jeden Fall habe ich mich köstlich amüsiert über den inhaltlichen Tiefgang und die Logik-Expertise vieler Antworten.

    Aber vielleicht können wir ja hier eine tiefere Diskussion anstossen. Geben Sie mir doch Bescheid, wenn Sie sich mit den Quellen auseinandergesetzt haben. Dann können wir loslegen …

    Mit besten Grüßen,
    C. Benzmüller

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