Ungeschickte Firmennamen

Hier in Darmstadt ist ein neuer Friseur, der auch Kinowerbung macht und sich als Logo Sweeney Todd ausgesucht hat.

Wer die Geschichte nicht kennt: Sweeney Todd hat als BArbier an seinen Feinden schreckliche Rache genommen und sie zu Pastete verarbeiten lassen. Da gibt es ein wunderschönes Video mit Angela Lansbury:

Was kommt als nächstes? Zahnärzte mit Bohrmaschinenlogos? 😉

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Facebook geht gegen Homophobie vor

Zugegeben: Ich habe ja immer ziemliche Bauchschmerzen, wenn sich Web-Anbieter in die Meinungsäußerungen ihrer Kunden einmischen. Diesmal ist es gegen Homophobie sein, das nächste Mal könnte es gegen Religionskritiker sein. Bedenkt man aber die Gewaltwelle, die die US-Community derzeit offenbar in Form von Selbstmorden, Entführungen, Folter erlebt, dann kann ich nicht anders, als mich über Facebook zu freuen, die laut Queer.de gegen Homophobie vorgehen. Wenn die europäische Wahrnehmung der US-Hassprediger nicht völlig verzerrt ist, dann war es ja nur eine Frage der Zeit, bis sich deren Hetze so aktualisieren würde.

PS: Ich habe übrigens „Social Network“ im Kino gesehen. Es geht um die Gründung von Facebook und wird an den Prozessen, denen sich Facebook ausgesetzt sah, entlang erzählt. Dadurch wirkt der Film zunächst etwas sprunghaft, lohnt aber durchaus.

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Tatort Internet

Ich wollte eigentlich etwas zu dieser Sendung schreiben, aber es gelingt mir nicht. Bei jedem Versuch habe ich sofort wieder die klammheimlich-laute Freude der Journalistin vor Augen, die in widerlichster Ästhetik ihren persönlichen Triumph feiert, einen pädophilen Mann in einem Chat solange heiß gemacht zu haben, bis sie ihn vor die Kamera bringen konnte, und ich will kotzen. Die ganze Sendung ist so krank, dass man einfach nicht mehr zu ihr sagen kann.

Sagen lässt sich allenfalls noch zu einigen beteiligten Personen dieses: Es ist eine unglaubliche Beruhigung, dass sich die „Schützt endlich unsere Kinder vor dem Internet!“-Heulbojen bei RTL2 selbst zerlegen. Wer auf einem solchen Sender mit Kindesmissbrauch Quote und höchstwahrscheinlich Kohle machen will, disqualifiziert sich für jede sachliche Diskussion.

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Es räumelt gar sehr (Stipendium)

Ich wurde ja in einem Kommentar vor einigen Tagen gefragt, was für ein Stipendium ich denn hätte. Ich bin im Graduiertenkolleg »Topologie der Technik« an der TU Darmstadt und arbeite dort zu einem Promotionsprojekt im Fach Philosophie, das sich mit Macht in virtuellen Räumen beschäftigt. Das Kolleg wurde vor einiger Zeit begangen, d.h. wir hatten DFG-Gutachter im Haus, die uns auf Herz und Nieren geprüft haben. Deren Votum entscheidet aber nicht alleine über unsere Finanzierung, sondern dies wird letztlich im November von der DFG höchstselbst vorgenommen. Ich will und kann der Entscheidung nicht vorgreifen, aber wir sind so gut bewertet worden, dass es ganz gut aussieht.

Bevor ich nun aber noch lange herum rede, verbreite ich lieber unsere neue Ausschreiben – vorbehaltlich der Entscheidung im November 😉

Das interdisziplinäre Graduiertenkolleg

Topologie der Technik

ist am Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt angesiedelt. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Forschungsgegenstand des Graduiertenkollegs ist das Spannungsfeld von Technik und Raum. Das Forschungsprogramm zielt – jenseits direkter „Technikfolgen“ – auf die Situiertheit, auf die Raum verändernde und Raum bildende gesellschaftliche Wirkungsmacht insbesondere sogenannter „neuer“ Technologien. Techniktheoretischer Ausgangspunkt ist ein nicht gerätegebundenes Grundverständnis von Technik als „materiellem Dispositiv“. Raumtheoretisch wird beim relationalen Charakter von Räumen angesetzt. Die Beteiligten des Kollegs untersuchen die Topologie der Technik auf vier Ebenen: alltagsräumliche Persistenz, Disposition von Handlungsräumen, Planungs- und entwurfsbasierte Raumkonstruktion sowie simulationstechnische Modellierung.

Näheres zum Forschungs- und Lehrprogramm sowie Informationen über die Gruppe der beteiligten Professor/innen finden Interessierte unter http://www.ifs.tu-darmstadt.de/gradkoll-tdt

Vorbehaltlich einer noch ausstehenden Bewilligungsentscheidung werden zum 01.12.2010 ausgeschrieben:

6 Doktorand/innen-Stipendien
und
2 Postdoc-Stipendien

Promotionsstipendiaten (max. 3 Jahre) werden in erster Linie für die folgenden Fächern gesucht: Informatik, Literaturwissenschaft, Maschinenbau, Philosophie, Raumplanung sowie Sportwissenschaft. Für die Postdoc-Stipendien (max. 2 Jahre) können sich auch Historiker/innen und Soziolog/innen gerne bewerben.

Zum Konzept des Kollegs gehört es, die interdisziplinäre Zusammenarbeit unter den beteiligten Nachwuchs-wissenschaftler/innen zu unterstützen – unter anderem durch die Bereitstellung von gemeinsamen Räumlichkeiten. Es wird verlangt, dass die Stipendiat/innen während der Förderzeit ihren Wohnsitz in Darmstadt mit Umgebung nehmen. Die Teilnahme am Lehrprogramm des Kollegs ist verpflichtend; die Möglichkeit eines längeren Auslandsaufenthaltes ist gegeben.

Bewerbungen werden erbeten in elektronischer Form an
topologie@ifs.tu-darmstadt.de bis zum 01. November 2010

Beizufügen sind (1) ein Lebenslauf, (2) die aka¬dem¬ischen Zeugnisse, (3) eine Ideenskizze von bis zu fünf Seiten für ein Promotionsprojekt und (4) die Nennung von mindestens zwei HochschullehrerInnen als Referenz. Das Bewerbungsschreiben soll die sachlichen Gründe und die persönliche Motivation für die Bewerbung beinhalten. Die eingereichten Ideenskizzen
sollen sich auf Themen und Thesen des Forschungsprogramms beziehen.

Für Nachfragen stehen die Sprecher/innen des Graduiertenkollegs zur Verfügung: Prof. Dr. Petra Gehring (gehring@phil.tu-darmstadt.de) und Prof. Dr. Mikael Hård (hard@ifs.tu-darmstadt.de).

Den meisten Doktorand/innen werden ein Stipendien von 1.365 € angeboten (für Eltern und Postdocs gelten höhere Sätze). Nähere Informationen zu den Förderbedingungen finden Sie unter www.dfg.de

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Zweites BKA-Geheimpapier

Von der Presse unbeachtet gibt es ein zweites internes Geheimpapier des BKA, das nur für den Dienstgebrauch bestimmt ist, keine politischen Forderungen enthält und derzeit vom BKA von einer undichten Stelle im BKA an alle Redaktionen gefaxt wird. Darin beklagt das BKA, dass es aufgrund verfassungsrechtlicher Hürden nicht alle Straftaten aufklären kann. So weit das BKA darauf hin, dass

  • eine flächendeckende Videoüberwachung in Wäldern, Kommunen und Privaträumen derzeit grundgesetzlich verboten sei, aber viel zur Aufklärung von Straftaten beitrage. Es dürfe keine unüberwachten Stellen geben, so das Papier.
  • eine durchgehende Aufzeichnung aller Äußerungen und Wahrnehmungen eines jeden Bürgers als ergänzende Maßnahme unabdingbar sei. So stünden mittlerweile die technischen Möglichkeiten zur Verfügung, um alle Lebensäußerungen und alle Wahrnehmungen eines Menschen ab der Geburt aufzuzeichnen. Das BKA veranschlagt hierzu in einer konservativen Schätzung 500 TB pro Bürger und Leben. Leider verbietet Karlsruhe noch eine gesetzliche Pflicht, permanent Aufzeichnungsgeräte am Körper zu führen.
  • eine permanente Erfassung von GPS-Daten ebenso von Karlsruhe verboten, für eine effektive Strafverfolgung aber unverzichtbar sei. Hierzu schlägt das BKA vor, jeden Bürger ab Geburt mit einer Ortungswanze auszustatten, die Aufenthaltsorte mit dem GPS-System ebenso aufzeichnet, wie die ID von anderen Ortungswanzen in der unmittelbaren Umgebung sowie örtliche Bluetooth- und WLAN-Geräte. Diese Daten könnten über das Mobilfunknetz an das BKA übertragen werden und dort für die Strafverfolgung permanent bevorratet werden. Das BKA schlägt vor, in einem zweiten Schritt alle Konsumprodukte, alle Tiere und alle Lebewesen mit einem RFID-Chip auszustatten, um etwa Straftaten wie das Zurücklassen von Müll an Autobahnen effizient aufklären zu können.

Das BKA verspricht sich von den Maßnahmen eine effektive Aufklärung von bisher de facto straffreien Verbrechen wie Kinderpornographie, Falschparken, Mord, Demonstrationsrechtausübung, Regierungskritik, Raubmordkopie, Müllabladen, Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Terrorismus, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, Kindesmord, Kinderpornographie, Terrorimus, Linksterrorismus, Chaotentum, Urheberrechtsverletzungen und KANN DENN NICHT NUR EINMAL JEMAND AN DIE KINDER DENKEN?!

Derzeit gehe die Aufklärungsquote von Verbrechen in Deutschland gegen Null, was vor allem auf die grundgesetzlichen Hürden zurückzuführen sei. Die Sicherheit der Bevölkerung und insbesondere der Kinder sei nicht gewährleistet. Das BKA regt an, die grundgesetzlichen Hürden bei der Strafverfolgung abzubauen, um wieder eine effektive Strafverfolgung on- wie offline zu ermöglichen. Es könne nicht sein, dass den Strafverfolgungsbehörden dringend notwendige Ermittlungsinstrumente mit Hinweis auf Freiheitsrechte vorenthalten würden, heißt es in dem ausdrücklich unpolitischen, internen Geheimpapier. Die Politik müsse unbedingt auf die zunehmend linkssubversive Beschränkungspolitik Karlsruhes reagieren und hierzu auch zu einer Änderung des Grundgesetzes bereit sein.

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Wie Sie sehen, sehen Sie…

Ich bin gerade auf einer Summerschool zur Visualisierung des Raums. Eigentlich hat das recht wenig mit meiner gegenwärtigen Arbeit zu tun, aber da man die Teilnahme von mir erwartete und außerdem die Kosten übernommen wurden, verbringe ich diese Woche nun doch in einer evangelischen Begegnungsstätte in Rheinland-Pfalz. Hier hat man mich gleich mit protestantischer Kochkunst und Zimmerbibeln verwöhnt, aber das nur nebenbei.

Wir haben jetzt so ungefähr die Hälfte dieser interdisziplinären Summerschool hinter uns und ich frage mich immer mehr, was ich hier soll. Mit einer Kollegin hatte ich gestern in einem Beitrag versucht, die Repräsentationskritik bei Deleuze/Guattari mit einem starken Raumbezug aufzubereiten und schließlich auf ein Beispiel technisch konstituierter Räume zu beziehen. Die anschließende Diskussion hing dann weitgehend an unserem technischen Beispiel fest und war, wie ich finde, ziemlich enttäuschend. Es gab nur recht wenige Wortmeldungen, die allesamt nicht auf unseren theoretischen Unterbau eingingen. Zwar haben uns später noch Leute angesprochen und unseren Beitrag als „erfrischend“ und „inspirierend“ bezeichnet, aber dass wir brillant sind, wussten wir vorher ja eigentlich auch schon… 😉

Um die Visualisierung von Raum geht es auf dieser Summerschool selbst aber kaum: Etwa 70% der Beiträge beschäftigen sich mit der Frage, wie Daten visualisiert werden können und einige auch damit, wie so eine Visualisierung auf unsere Lernprozesse zurückwirkt. Das mag für sich genommen ja durchaus interessant sein, hat aber nun nicht so sonderlich viel mit dem Raum zu tun – witzigerweise ein Vorwurf, der andersherum unserem Beitrag gemacht wurde: Man fragte uns, wo denn bei uns bitte die Visualisierung stecke. Gut – dass Repräsentation nicht so eng mit Visualisierung zusammenhängt (gleichwohl auch nicht getrennt ist), ist ja nun richtig, aber was soll ich als sprachanalytisch denkender Philosoph auch groß zur Visualisierung sagen? Da hätte man eher einen Phänomenologen fragen sollen. Allerdings haben die bisherigen Vorträge, soviel sie auch zur Visualisierung gesagt haben, recht wenig theoretisch substantielles zum Raum gesagt.

Das Problem der geschickten Visualisierung von Daten ist zwar nun durchaus ein komplexes und für viele Forschungsfragen sicher auch interessantes Thema, doch zeigt das Verschwinden des Raums als eigentlich Untersuchungsgegenstand im weiteren Sinne eine Schwierigkeit dieser ganzen Summerschool: Der Raumbegriff bleibt gänzlich unbestimmt. Zwar sind sich alle irgendwie einig, dass wir einen relationalen Raumbegriff haben wollen, der einer bestimmten Mode folgend „topologisch“ heißt, aber damit hat es sich auch wieder. Das ist überhaupt ein Problem dieser ganzen Raumdiskussionen, sobald sie sich in einem interdisziplinären Umfeld bewegen: Aus dem topologischen Minimalkonsens folgt wenig konkretes und spannende Kooperationen ergeben sich allenfalls für einzelne Themen mit wenigen, nahe beieinander stehenden Fächern. Der Versuch, die Raumforschung immer gleich zur großen Interdisziplinarität aufzublasen, überzeugt dagegen immer weniger. Vollends schwierig wird es, wenn so ein groß-interdisziplinär unterbestimmter Raumbegriff auf etwas dagegen deutlich konkreteres wie Visualisierung bezogen werden soll. Fast alles, was es innerhalb der einzelnen Fächer zu sagen gibt, konzentriert sich auf Visualisierung eines eigenen, fachspezifischen Raumkonzepts – Das ist keine Kritik! – verliert aber aufgrund des ebenso unterbestimmten Visualisierungsbegriffs jede groß-interdisziplinäre Anschlussfähigkeit (Das ist die Kritik.).

Der naheliegende Vorschlag lautet, sich auf einen Begriff der Visualisierung zu einigen. Nun, was ist denn das allgemeinste, was man sieht? Um das Ende der Debatte gleich vorweg zu nehmen: Letztlich landet man wieder beim Text oder bei etwas, was einem Text in bestimmter Hinsicht gänzlich ähnelt. Man denke nur einmal an die Begriffsschrift Freges, die auch nicht ausdrucksmächtiger war als die Notation Peanos. Dann aber zwischen einer abstrakten Topologie, die letztlich nur eine strukturierte Menge ist, einem relationalen Raum, also einem Raum von Relationen zwischen Dingen, oder einer Visualisierung, etwa Tinte auf einem Stück Papier, zu unterscheiden, wirkt beinahe künstlich, beinahe wie eine Verlegenheitslösung. Und das finde ich, obwohl mich das Visualisierungsproblem so gar nicht interessiert, dennoch etwas unfair gegenüber der Visualisierung.

Also machen wir es kurz: Man hat zwar von mir erwartet, dass ich hier mitfahre, aber ich gehöre hier fachlich einfach nicht hin. Manchmal bringen Stipendien eben komische Konstellationen mit sich…

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Saarländische Elite

Was passiert, wenn Bildungspolitiker Geld in die Hand nehmen, um zu spielen? Heraus kommt ein feuchter Elitentraum, der an die Zukunft denkt: Wie Zeit Online berichtet, hat das Saarland eine Stiftung ins Leben gerufen, die begabte Studierende fördern soll – aber:

Die Schwerpunkte der Förderung liegen in Mathematik, den Naturwissenschaften, Informatik und Biomedizin.

Zitiert wird überdies ein ehemaliger SPD-Ministerpräsident, der betont, dass man die Fächer unterstützen wolle, die für „die Zukunft“ des Saarlands besonders wichtig seien. Damit folgt das Saarland erstmals de jure einer Politik, die die Bundesregierung mit dem nationalen Stipendien-Rohrkrepierer-Programm schon de facto eingeläutet hatte: Frau Schavan hatte nämlich für ihr Programm vorgesehen, dass Stipendien nur dann ausgezahlt werden können, wenn die Hälfte der Stipendienhöhe von privaten Geldgebern, insb. der Wirtschaft, übernommen werden. Die Universitäten sollten diese Mittel selbst einwerben – und zwar für konkrete Fächer. Der große Katzenjammer seitens der Universitätspräsidien wurde mit einem kleinen Zuckerl getröstet und niemand scheint wirklich bemerkt zu haben, was Frau Schavan uns hier für ein Ei ins Nest gelegt hat: De facto dürfte es nämlich zukünftig so laufen, dass Universitäten nur für Fächer private Mittel einwerben können, die irgendeiner Nadelstreifen-Niete mit BWL-Abschluss sinnvoll erscheinen. Ich würde mich nicht wundern, wenn wir bald eine Schwemme von BWL-, Informatik- und Maschinenbau-Stipendien erleben, denen nicht genug qualifizierte Studierende der entsprechenden Fächer gegenüber stehen.

Damit hat Frau Schavan aber unbemerkt ein Tabu gebrochen: Bisher war es den Universitäten und Studierenden weitgehend selbst überlassen, welche Fächer wie sehr unterstützt werden sollten. Sicher hat es immer Einmischung seitens der Ministerien gegeben, aber diese erfolgte selten so offen wie in den letzten Jahren. Dass dieses Tabu aber bestand, zeigt, dass beispielsweise die nicht gerade für freigiebige Wohltaten bekannten Privatbanken bei ihren Studienkrediten nicht nach Fächern unterschieden. Die Zinsen sind für einen Kunstgeschichtsstudenten ebenso hoch wie für einen BWL-Studenten.

Das Saarland ist also nun zu einer offenen Diskriminierung der Studienfächer übergegangen und es steht zu vermuten, dass andere Bundesländer mit ähnlichen Tricks folgen werden. Der Trick dürfte dabei auch aus einer gewissen Not geboren worden sein: Nachdem die Landesregierung dazu übergegangen waren und Universitäten immer mehr Autonomie eingeräumt hatten, wuchs der Druck gleichzeitig, Mittel intern nach Leitungsindikatoren zu vergeben. Damit würde die Universität, so die mutmaßliche Überzeugung, schon die besser aufgestellten Fächer wie beispielsweise Naturwissenschaften stärker fördern als unwichtige Fächer wie etwa Philosophie. Im Falle meiner Universität hat sich aber gezeigt, dass die Umstellung auf eine indikatorgestützte Ressourcenverteilung diesen Fächern aber eher genutzt als geschadet hat. Zwar gibt es von dieser Regel Ausnahmen, doch zeigte sich, dass die zuvor eher politisch orientierte Mittelverteilung die Position der „weichen“ Wissenschaften geschwächt hat, während diese nun mit konkreten Zahlen auftreten und eine bessere, d.h. höhere Mittelzuteilung erreichen konnten. So hat die Umstellung der universitätsinternen Mittelvergabe auf ein – oberflächlich betrachtet – wirtschaftsaffineres Modell gerade den Wissenschaften genutzt, die in den feuchten Träumen mancher Bildungspolitik nichts als brotlos sind.

Da die Axt nun nicht mehr an den mehr oder minder autonomen und immer mehr Marktkräften ausgelieferten Universitäten angesetzen, das Angebot also nicht mehr gelenkt werden kann, gehen die Herren und Damen Bildungspolitiker nun zur Lenkung der Nachfrage über: Stipendien gibt es bald nur noch für Studierende der richtigen Fächer. Statt das Bafög endlich nachhaltig zu erhöhen oder ein sozial gerechtes Stipendienprogramm (- nun, gut, so eines will ich sehen!) zu schaffen, bricht man das Tabu der Fächerdiskriminierung.

Wichtig ist es nun aber, darauf hinzuweisen, dass das Problem nicht etwa darin besteht, dass das Studium nur noch mehr auf den Markt ausgerichtet wird. Das sieht oberflächlich sicher so aus, ist aber eine Fehleinschätzung. Das Problem ist hier nicht zu viel, sondern zu wenig „Markt“. Die Fächer, die im Saarland bevorzugt werden, wurden ebenso wenig mittels objektiven Kriterien ermittelt, wie dies beim nationalen Stipendienprogramm durch Manager der Fall sein wird. Die Auswahl basiert nicht auf harten Fakten, sondern auf Vorurteilen. Denn wie ist es anders zu erklären, dass der Maschinenbau in der Aufzählung beispielsweise nicht zu finden ist, während es doch gerade diese Branche ist, die maßgeblich zum Export beiträgt?

Die Auswahl erscheint also im höchsten Maße willkürlich, und was würde wohl passieren, wenn man hier streng nach objektiven Kriterien vorgehen würde? Könnte sich dann nicht vielleicht zeigen, dass Mathematik volkswirtschaftlich vollkommen sinnlos ist? Oder sollte man nicht vielleicht nach Kriterien fragen, die nicht nur das Wirtschaftswachstum im Auge haben? Aber selbst wenn man nur nach Profiten fragt: Wollen wir wirklich vergessen, dass es gerade die Resonanzen, die zwischen Philosophie, Mathematik und Physik im späten 19. Jahrhundert bestanden, waren, die schließlich die wichtigsten Voraussetzungen der Computertechnik geschaffen haben? (Es mag beliebt sein, die Philosophie hierbei zu vergessen. Denjenigen, die dies tun, sei einfach nur Frege zur Lektüre empfohlen.) Der Nutzen der Philosophie mag selten und fern sein, aber gelegentlich ist er auch groß.

Nein, die Manipulierung der Nachfrage nach Studiengängen ist kein Ausdruck einer Marktliberalisierung, sondern Zeichen einer bornierten Bildungspolitik, in der noch immer Politiker glauben, die richtige Lösung in ihren eigenen Vorurteilen zu finden. Den Universitäten und den Studierenden ihre Entscheidungen selbst zu überlassen muss da sicher als eine irre Traumtänzerei erscheinen.

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Gemmologinnenwahrheiten

Oh, Schreck, eine Klimaskeptikerin bei der CDU: Marie-Luise Dött bezweifelt den Klimawandel. (Link) Sieht man davon ab, dass alles perfekt zusammenpasst (Umweltpolitische Sprecherin, erzkatholisch, unternehmerfreundlich), gibt sie als Beruf u.a. „Gemmologin“ an.

Kennste nich? Frag das Internet:

Gemmologen und Gemmologinnen sind Fachleute für Schmuck und Edelsteine. […] Für diese Weiterbildung ist rechtlich keine bestimmte Schulbildung vorgeschrieben. Die Bildungsträger legen eigene Zugangskriterien fest. Ein Schulabschluss sollte jedoch vorhanden sein.

Noch Fragen?

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Haben beide Recht?

Aussage gegen Aussage“ schreibt die Zeit im Streit zwischen Merkel und Sarkozy. Ich kann mich auch nicht entscheiden, wer denn nun die Wahrheit sagt und wer lügt. Vermutlich haben einfach beide Recht:

Merkel hat das zwar gesagt, aber Sarkozy hat es nicht gehört und sich anschließend zufällig das richtige ausgedacht und lügt damit zufällig etwas, was wahr ist.

Ach, was wäre *das* einfach…

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Und der deutsche Simpel darf’s wegmachen…

Ich finde es ja immer wieder faszinierend, dass Menschenrechte und Rechtsstaat in so vielen Gehirnen einfach nicht angekommen sind. Bevor ich ein aktuelles Beispiel berichte, kann ich mir eine kurze Exkursion nicht verkneifen: Ein Freund von mir, heute Richter, war einmal bei der Staatsanwaltschaft und bekam in diesem Zusammenhang eine Führung durch die Einrichtungen der Flughafenpolizei in Frankfurt. Er besichtigte eine Spezialtoilette, die Verdächtige, die mutmaßlich Drogen in ihrem Darm transportieren, benutzen müssen. Dort müssen sie sich mit Hilfe geeigneter Medikamente erleichtern, worauf ihre Ausscheidungen in eine Art Sieb fallen. Dort können, sofern vorhanden, die Drogenpäckchen aus dem sonstigen Darminhalt herausgesucht werden. Der Beamte, der die Führung machte, erzählte, dass es manchmal vorkomme, dass man den Verdächtigen dazu anhalte, unter Aufsicht die Suche nach Päckchen selbst zu unternehmen. Mein Freund fragte dann, so seine Erzählung, ob es nicht gegen die Menschenwürde verstoße, den Verdächtigen in seinen eigenen Exkrementen wühlen zu lassen. Er erhielt darauf ungefähr diese Antwort:

Menschenrechte, Menschenrechte – und der deutsche Simpel darf’s wegmachen, oder was?

Wie dünn die Schicht ist, auf der unsere romantische Vorstellung von unveräußerlichen Menschenrechten steht, kann man auch im aktuellen Stern besichtigen. Nun, ich lese diese Publikation nicht, aber meine Eltern tun es und so blättere ich bei Besuchen schon mal im Stern und denke mir so meinen Teil. Heute habe ich etwas gefunden, was ich gerne mit Euch teilen möchte. In einem länglichen Artikel zur aktuellen Debatte um die Sicherungsverwahrung wird auf Seite 55 ein Bild von „besorgten Nachbarn“ aus Hamburg gezeigt, die neben Hunden, einem Kind und bis zur Ironie inszenierten Sorgenfalten auch vier Schilder in die Kamera halten:

„Vergewaltiger Sollten KEINE Menschenrechte haben!“

„Bitte Leiser! Sadistischer SerienVERGEWALTIGER braucht Ruhe!“

„Vergewaltiger haben Menschenrechte! Und wass[sic!] ist mit den Opfern?“

„Die tickende Zeitbombe in der [Straßenname] Wer schützt uns?“

Nun weiß ich natürlich nicht, ob das Foto gestellt ist, aber die eingangs erzählte Episode zeigt wie plausibel sie ist. Erlauben wir uns also, das Bild ernst zu nehmen und einfach zu glauben, was in der Zeitung steht. Mich interessiert auch nicht der restliche Artikel, sondern wirklich nur das Bild.

Ist es nicht so, dass man sich eigentlich mehr vor solchen Nachbarn als vor Menschen sorgen sollte, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus einer unhaltbaren Situation befreit hat? Sicher, es ist schwer einzusehen, dass Deutschland mit der nachträglichen Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechte und elementare Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat und es ist ja nun auch nicht so, dass ich jubeln würde, wenn Menschen, die vermutlich tatsächlich gefährlicher als der Bevölkerungsdurchschnitt sind, in meine Nachbarschaft zögen, aber ist es wirklich angemessen, diesen Menschen gleich ihre elementaren Grundrechte abzusprechen? Wieso ist es so unendlich schwer, einzusehen, dass wir uns mit den Menschenrechten eine absolute Grenze unseres Handelns gesetzt haben, die wir auch bei dem schlimmsten Verbrecher nicht überschreiten dürfen? Wieso verstehen so viele Menschen nicht, dass sie mit der Forderung, einem Menschen Menschenrechte vorzuenthalten, gerade die Grenze überschreiten, die der Täter überschritten hat? Ist es wirklich ein Unterschied, jemandem zum Objekt sexueller Gewalt zu machen wirklich so anders als jemandem seine Menschlichkeit gänzlich zu bestreiten? Natürlich ist es ein riesiger Abstand in der Manier, aber ist es auch ein Abstand im Prinzip? Wenn es einen Abstand im Prinzip gibt, dann vermag ich ihn hier nicht zu sehen. Den eigenen Trieben und Gefühlen gänzlich freien Lauf zu lassen und einen anderen Menschen dadurch bis auf die Ebene eines Dings oder eines Tiers erniedrigen zu wollen, ist beiden Affekten gemein – ob sie nun aus Angst, Hass oder Geilheit geschehen.

Aber seien wir mal ganz pragmatisch: Was begünstigt die Prognose eines Täters wohl mehr, was macht eine erfolgreiche Resozialisierung wohl wahrscheinlicher? Soll man ihm die Chance auf eine Wiederaufnahme in die Gesellschaft einräumen oder soll man ihn dämonisieren? Wer wird wohl eher zum Täter? Ein einsamer Arbeitsloser ohne soziale Kontakte, der auf der Straße angespuckt wird – oder jemand, dem es gestattet wird, ein produktives Mitglied der Gesellschaft zu sein? Ich meine nicht, dass man dem Täter einfach verzeihen sollte oder so tun sollte, als sei nichts gewesen. Ich meine auch nicht, dass man jede Achtsamkeit und Aufmerksamkeit fallen lassen sollte. Ich meine nur, dass man ihm die Chance im eigenen Interesse und im Interesse der eigenen Menschlichkeit einräumen sollte.

Es mag ein wenig eitel sein, aber den Rechtsstaat und die Menschenrechte gegen Angst und Hass zu verteidigen, ist die eigentliche Lehre, die wir ziehen müssen und entsprechend müssen wir vor uns selbst erschrecken, wenn wir uns in ein dunkleres Zeitalter zurückwünschen.

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