Was passiert, wenn Bildungspolitiker Geld in die Hand nehmen, um zu spielen? Heraus kommt ein feuchter Elitentraum, der an die Zukunft denkt: Wie Zeit Online berichtet, hat das Saarland eine Stiftung ins Leben gerufen, die begabte Studierende fördern soll – aber:
Die Schwerpunkte der Förderung liegen in Mathematik, den Naturwissenschaften, Informatik und Biomedizin.
Zitiert wird überdies ein ehemaliger SPD-Ministerpräsident, der betont, dass man die Fächer unterstützen wolle, die für „die Zukunft“ des Saarlands besonders wichtig seien. Damit folgt das Saarland erstmals de jure einer Politik, die die Bundesregierung mit dem nationalen Stipendien-Rohrkrepierer-Programm schon de facto eingeläutet hatte: Frau Schavan hatte nämlich für ihr Programm vorgesehen, dass Stipendien nur dann ausgezahlt werden können, wenn die Hälfte der Stipendienhöhe von privaten Geldgebern, insb. der Wirtschaft, übernommen werden. Die Universitäten sollten diese Mittel selbst einwerben – und zwar für konkrete Fächer. Der große Katzenjammer seitens der Universitätspräsidien wurde mit einem kleinen Zuckerl getröstet und niemand scheint wirklich bemerkt zu haben, was Frau Schavan uns hier für ein Ei ins Nest gelegt hat: De facto dürfte es nämlich zukünftig so laufen, dass Universitäten nur für Fächer private Mittel einwerben können, die irgendeiner Nadelstreifen-Niete mit BWL-Abschluss sinnvoll erscheinen. Ich würde mich nicht wundern, wenn wir bald eine Schwemme von BWL-, Informatik- und Maschinenbau-Stipendien erleben, denen nicht genug qualifizierte Studierende der entsprechenden Fächer gegenüber stehen.
Damit hat Frau Schavan aber unbemerkt ein Tabu gebrochen: Bisher war es den Universitäten und Studierenden weitgehend selbst überlassen, welche Fächer wie sehr unterstützt werden sollten. Sicher hat es immer Einmischung seitens der Ministerien gegeben, aber diese erfolgte selten so offen wie in den letzten Jahren. Dass dieses Tabu aber bestand, zeigt, dass beispielsweise die nicht gerade für freigiebige Wohltaten bekannten Privatbanken bei ihren Studienkrediten nicht nach Fächern unterschieden. Die Zinsen sind für einen Kunstgeschichtsstudenten ebenso hoch wie für einen BWL-Studenten.
Das Saarland ist also nun zu einer offenen Diskriminierung der Studienfächer übergegangen und es steht zu vermuten, dass andere Bundesländer mit ähnlichen Tricks folgen werden. Der Trick dürfte dabei auch aus einer gewissen Not geboren worden sein: Nachdem die Landesregierung dazu übergegangen waren und Universitäten immer mehr Autonomie eingeräumt hatten, wuchs der Druck gleichzeitig, Mittel intern nach Leitungsindikatoren zu vergeben. Damit würde die Universität, so die mutmaßliche Überzeugung, schon die besser aufgestellten Fächer wie beispielsweise Naturwissenschaften stärker fördern als unwichtige Fächer wie etwa Philosophie. Im Falle meiner Universität hat sich aber gezeigt, dass die Umstellung auf eine indikatorgestützte Ressourcenverteilung diesen Fächern aber eher genutzt als geschadet hat. Zwar gibt es von dieser Regel Ausnahmen, doch zeigte sich, dass die zuvor eher politisch orientierte Mittelverteilung die Position der „weichen“ Wissenschaften geschwächt hat, während diese nun mit konkreten Zahlen auftreten und eine bessere, d.h. höhere Mittelzuteilung erreichen konnten. So hat die Umstellung der universitätsinternen Mittelvergabe auf ein – oberflächlich betrachtet – wirtschaftsaffineres Modell gerade den Wissenschaften genutzt, die in den feuchten Träumen mancher Bildungspolitik nichts als brotlos sind.
Da die Axt nun nicht mehr an den mehr oder minder autonomen und immer mehr Marktkräften ausgelieferten Universitäten angesetzen, das Angebot also nicht mehr gelenkt werden kann, gehen die Herren und Damen Bildungspolitiker nun zur Lenkung der Nachfrage über: Stipendien gibt es bald nur noch für Studierende der richtigen Fächer. Statt das Bafög endlich nachhaltig zu erhöhen oder ein sozial gerechtes Stipendienprogramm (- nun, gut, so eines will ich sehen!) zu schaffen, bricht man das Tabu der Fächerdiskriminierung.
Wichtig ist es nun aber, darauf hinzuweisen, dass das Problem nicht etwa darin besteht, dass das Studium nur noch mehr auf den Markt ausgerichtet wird. Das sieht oberflächlich sicher so aus, ist aber eine Fehleinschätzung. Das Problem ist hier nicht zu viel, sondern zu wenig „Markt“. Die Fächer, die im Saarland bevorzugt werden, wurden ebenso wenig mittels objektiven Kriterien ermittelt, wie dies beim nationalen Stipendienprogramm durch Manager der Fall sein wird. Die Auswahl basiert nicht auf harten Fakten, sondern auf Vorurteilen. Denn wie ist es anders zu erklären, dass der Maschinenbau in der Aufzählung beispielsweise nicht zu finden ist, während es doch gerade diese Branche ist, die maßgeblich zum Export beiträgt?
Die Auswahl erscheint also im höchsten Maße willkürlich, und was würde wohl passieren, wenn man hier streng nach objektiven Kriterien vorgehen würde? Könnte sich dann nicht vielleicht zeigen, dass Mathematik volkswirtschaftlich vollkommen sinnlos ist? Oder sollte man nicht vielleicht nach Kriterien fragen, die nicht nur das Wirtschaftswachstum im Auge haben? Aber selbst wenn man nur nach Profiten fragt: Wollen wir wirklich vergessen, dass es gerade die Resonanzen, die zwischen Philosophie, Mathematik und Physik im späten 19. Jahrhundert bestanden, waren, die schließlich die wichtigsten Voraussetzungen der Computertechnik geschaffen haben? (Es mag beliebt sein, die Philosophie hierbei zu vergessen. Denjenigen, die dies tun, sei einfach nur Frege zur Lektüre empfohlen.) Der Nutzen der Philosophie mag selten und fern sein, aber gelegentlich ist er auch groß.
Nein, die Manipulierung der Nachfrage nach Studiengängen ist kein Ausdruck einer Marktliberalisierung, sondern Zeichen einer bornierten Bildungspolitik, in der noch immer Politiker glauben, die richtige Lösung in ihren eigenen Vorurteilen zu finden. Den Universitäten und den Studierenden ihre Entscheidungen selbst zu überlassen muss da sicher als eine irre Traumtänzerei erscheinen.
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