Der Fußballspieler und der cis-hetero

Es ist ja irgendwo schon gut, dass sich so viele (cis-hetero)-Menschen um mich herum wundern, dass es eine Zeitungsmeldung wert ist, wenn sich ein Profifußballer als schwul „outet“. Es zeigt, dass in weiten Teilen dieser Generation eine angenehme Entspannung eingetreten ist. Schwul – so what? Das Thema ist nicht mehr abendfüllend.

Stimmt, allerdings stimmt es vor allem für die größeren Städte und besser gebildete Schichten. Für viele junge Schwule und ganz besonders auch die noch viel weniger sichtbaren Lesben – überhaupt für das ganze lsbtiq-Spektrum – stimmt es nicht, gerade wenn sie auf dem Land hocken oder sich nachmittags eher auf dem Bolzplatz oder abends vor der Glotze hocken, auf der eher Unterhaltungssendungen als Dokumentationen oder Autorenfilme laufen. Es ist nichts falsch an diesem Lebensstil, es kommen nur eher wenig Schwule und Lesben in dieser Lebenswelt vor. Um so wichtiger ist es für junge Schwule und Lesben, Vorbilder (und ja: auch Held_innen) in den gesellschaftlichen Systemen zu finden, die für sie relevant sind. Und tja, das ist eben der Profisport und nicht die Kabinettssitzung. Das sind Dinge, die man™ cis-Heten manchmal noch erklären muss. Macht aber nix, hab ich ja jetzt.

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Es ist bloß Hass – 2

Wo wir gerade bei Hass waren. Die Facebook-Diskussion zum öffentlichen Schlaganfall des ehemaligen Die-Renten-sind-sicher-Ministers Blühm ist auch ein Autounfall. Man sollte nicht hinsehen, aber es ist schwer, wegzuschauen:

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Wie man sich bettet…

Ich kenne schon komische Leute, die noch komischere Leute kennen:

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Es ist bloß Hass

Es wird Zeit, dass wir endlich offen sagen, um was es sich bei dieser Monomanie handelt, ständig auf den Rechten von Lesben und Schwulen herumzuhacken und es nicht einfach mal gut sein lassen zu können: Es ist Hass. Es ist ein Hass gegen das Fremde und die Abweichung.

Wir kennen diesen Hass aus der Vergangenheit nur zu gut und so wie wir heute über Rassisten und Antisemiten denken, werden wir in nicht allzu ferner Zukunft auch über Homophobe denken: als ewig gestrige, die aus uns völlig unverständlichen Gründen Hass verbreiten.

Nun, Herr Blüm gehört jetzt auch dazu. Seine Entscheidung.

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Was mancher Nerd mit Merkel gemeinsam hat…

In seiner späten Schrift zur Religion in den Grenzen der bloßen Vernunft vergleicht Kant zwei religiöse Ausdrucksweisen miteinander:

Von einem tungusischen Schaman, bis zu dem Kirche und Staat zugleich regierenden europäischen Prälaten, oder (wollen wir statt der Häupter und Anführer nur auf die Glaubensanhänger nach ihrer eignen Vorstellungsart sehen) zwischen dem ganz sinnlichen Wogulitzen, der die Tatze von einem Bärenfell sich des Morgens auf sein Haupt legt, mit dem kurzen Gebet: »Schlag mich nicht tot!« bis zum sublimierten Puritaner und Independenten in Connecticut ist zwar ein mächtiger Abstand in der Manier, aber nicht im Prinzip zu glauben; […] (Immanuel Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, in: Kant-Werke Bd. 8, hier: S. 848).

Ein ebenso mächtiger Abstand in der Manier, also in den äußeren, ästhetischen Elementen im Umgang mit der NSA-Affäre besteht zweifelsohne zwischen der Netzszene im weitesten Sinne und dem öffentlichen, d.h. hier: dem (partei-)staatlichen Deutschland. Einerseits ein bis zum Alarmismus reichendes Narrativ des post-paranoiden „told you so: we’re all fucked“, andererseits ein beruhigendes Einlullen, das jede Kritik in einem völlig effekt- und konsequenzlosen „Mutti kümmert sich doch“ ersäuft. Es scheint, es könnte zwischen beiden Seiten kein größerer Abstand bestehen.

Dennoch teilen beide ein Prinzip miteinander: Das Prinzip eine Deutungshoheit für sich zu beanspruchen und sich um die Codierung der NSA-Affäre im öffentlichen Bewusstsein zu streiten. In beiden Fällen wird eine Linie gezogen, die ein Diesseits und ein Jenseits erschafft. Staatlicherseits wird die Vernunft der sachlichen Auseinandersetzung gegen die antiamerikanische Paranoia gestellt. Netzseitig wird beispielsweise eine Linie zwischen denen gezogen, die die Situation durchschauen, und denen, die auf eine Propaganda hereinfallen oder sich qua Kritik am Datenschutznarrativ ohnedies auf die Seite des „Bösen“ gestellt haben. In beiden Fällen wird ein Signifikationssystem errichtet, das die Interpretation vorgibt und die Interpretationsmacht einer Art Priesterkaste zuweist, die neben der Interpretation noch die Form der Vernunft hütet. Staatlicherseits sind es Minister und Leiter nachgeordneter Behörden, die die Snowden-Enthüllungen auszulegen haben. Der konkrete Auslegungsinhalt mag sich unterscheiden, aber die Form ist netzseitig gleich: einzelne Blogger oder Aktivisten beanspruchen das Narrativ und gelangen wie durch ein Wunder zu der Auffassung, sie selbst hätten es ja gleich gewusst. Das Wunder ist natürlich Effekt der Selbstanwendung der Vernunftform. Die Zentren der Signifikationssysteme sind materiell unterschieden: staatlicherseits ein durch die FDGO codiertes öffentliches Interesse von Staat und folglich Volk, netzseitig ein durch dystopische Szenarien codiertes Allgemeininteresse von Volk und folglich Staat. Beide Zentren codieren also einen Schutzanspruch: das Gemeinwohl als Objekt staatlichen Handelns oder als Objekt aktivistischen Verbraucherschutzes. Mit der letztlichen Form als Verbraucherschutz erkennt man auch leicht die Beschränktheit des netzseitigen Narrativs: Der hier formulierte „Menschenschutz“ läuft immer wieder auf den „Datenschutz“ zurück und findet in ihm die einzig mögliche Aktualisierung.

Kommen wir aber zurück auf die geteilte Struktur der Signifikationssystems: beiden ist, wenig überraschend, auch die Aktualisierung in Handlungen gemein. Handle stets so, dass Du dem öffentlichen Interesse entgegen arbeitest. Such Dir einen steuerpflichtigen Job und verschlüssele Deine Daten. Typisch für liberale Gesellschaften zielt die Anweisung nicht mehr darauf, was zu tun, sondern wie es zu tun ist. Diese Arbeitsteilung hat solange funktioniert, wie beide Zentren die „quasi-modalen Schutzinteressen“ wechselseitig anerkennen konnten. Damit konnte sich auch der CCC zu einer in der Außenwirkung staatstragenden Organisation der bürgerlichen Gesellschaft entwickeln. Ob diese Arbeitsteilung weiterhin bestehen kann, hängt allerdings einseitig von der staatlichen Fähigkeit und Bereitschaft ab, die Netzszene und ihre etablierten Vertreter_innen in die öffentlichen Legitimationsmaschinen einzubinden, von denen Verhandlungen in Karlsruhe nur die medienwirksamsten sind.

Schließlich teilen beide die Funktion, Teile des Äußerungsgefüges, das von ihnen nicht positiv unter das eigene Interpretationsregime gebracht werden können, negativ als deviant oder irrational zu markieren. (Dass damit die eigene Position als neutral markiert wird, haben wir oben schon gesehen.) Die negative Markierung erfordert, plakativ gesprochen, mögliche Gesprächspartner_innen vor die Tür zu setzen, sobald sie nicht positiv subsumiert werden können (etwa im Falle der Datenschutzkritik) oder die Form des Äußerungsgefüges kritisieren (etwa im Falle der Sexismuskritik oder sogar im Falle dieses Blogeintrags). Stellt beispielsweise, jetzt netzseitig gedacht, ein Narrativ die Relevanz der Interpretation in Frage, muss dieses Narrativ als Propaganda o.ä. verworfen werden: Stimmst Du mir nicht zu, dann fällst Du auf die Propaganda rein – und wir sind schließlich die Guten. (Als ob wir es geschafft hätten, zu einer Art Banalität des Guten zu gelangen.) Es würde sich lohnen die Korrespondenzen unter den Ausgestoßenen zu kartieren.

Entsprechend braucht es niemanden zu wundern, wenn in bloß auf die Intensität gerichteten Signifikations- und Interpretationssystemen (die eigentliche Form postdemokratischer Diskurssysteme) auch die äußersten Mittel des Kommunikationsabbruchs einander gleichen: Hier wie dort ist es das Pöbeln, wie man netzseitig in so manchem viel gelesenen Blog, staatsseitig in so mancher offen irrationaler oder persönlich angehender Politikeräußerung besichtigen kann.

Die Folgen sind einigermaßen unappetitlich: Es ist zwar richtig, dass die Form netzseitig die staatlich organisierte, folglich zentralistische Form des Signifikations- und Interpretationssystems stellt. Es ist aber auch richtig, dass es die Form bloß reproduziert und sich einer möglichen Reflexion verschließt. Die staatliche Form lässt sich so nicht mehr unterlaufen und der Konflikt degeneriert zu einer bloßen Kraftfrage: Wer hat mehr Geld, den längeren Atem und mehr Personal? Ich fürchte, diese Frage wird für die Netzseite nicht gut ausgehen.

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Ethikkommissionen

Die Geschichte der Ethikkommissionen ist eine Geschichte voller Missverständnisse und auch heute noch glauben viele Bürgerinnen und Bürger, es handele sich nicht um eine Vorfeldorganisation zum Austesten gesellschaftlich akzeptabler Grenzen. Deshalb ist es mir wichtig für die universitäre Philosophie zu sprechen. Denn die universitäre Philosophie bleibt nicht an der Oberfläche wie politische Ethikräte, sondern nicht nimmt das Problem da auf, wo es passiert: im Inneren der praktischen Vernunft.

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Webcam-Pappe

Hm… man sieht ja immer mal Leute, die die Webcam ihres Notebooks mit einer kleinen Pappe abkleben, damit SIE™ ihnen nicht beim Arbeiten zusehen können. Damit müssen sie aber doch zugeben, dass sie es für möglich halten, dass ihr Notebook kompromitiert ist. Gleichzeitig haben diese Leute aber vermutlich kein Problem damit, auf den Maschinen zu schreiben, private Schlüssel dort aufzubewahren und Passwörter einzugeben. Das unterstellt, stellt sich die Frage: Wieso haben sie ein größeres Problem damit, dass SIE™ ihnen ggf. beim Schreiben zusehen können, als damit, dass SIE™ ggf. lesen können, was sie schreiben? Was verstehe ich da nicht?

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Wohl doch kein Panopticon…

Wenig überraschend wurden meine beiden Talks für den 30c3 in Hamburg abgelehnt. (Der eine Einreichungstext befindet sich hier.) Ich bin nicht wirklich enttäuscht, denn eine Annahme hätte ich als ziemliche Überraschung empfunden: Die c3-Einreichungen werden leider seit einigen Jahren immer politischer ausgewählt, während gleichzeitig die üblichen Verdächtigen, die uns schon seit Jahren das gleiche erzählen, stets ins Programm aufgenommen werden. Das mag weniger die technischen, als viel mehr die gesellschaftspolitischen Talks betreffen, schadet hier aber kein bisschen weniger. Der CCC beziehungsweise der c3 scheinen immer weniger in der Lage zu sein, sich inhaltlich mit abweichenden Meinungen zu befassen oder überhaupt das Risiko einer inhaltlichen Diskussion eingehen zu wollen. Den ziemlich bescheuerten, weil komplett inhaltsfreien Umgang mit der Spackeria, zu der ich sicher nicht gehöre, finde ich hier ein deutliches Beispiel. Wie dem auch sei, ich hätte Ende diesen Jahres ohnehin nur mit Mühe die Muße für den 30c3 finden können und fühle mich durch die Ablehnung durchaus von einer Last befreit. Außerdem kann ich meinen Talk noch immer woanders einreichen. Mich frustriert eher, dass auf die unübersehbare Ideologisierung der CCC-Diskussionskultur folgen wird, was auf so eine Entwicklung immer folgen muss: der schlussendliche Bedeutungsverlust.

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Heroes Yet Criminals of the German Computer Revolution

Lange hat es gedauert, aber endlich läuft die Druckmaschine (beziehungsweise: es wird als PDF bereitgestellt):

Denker, Kai: „Heroes Yet Criminals of the German Computer Revolution,“ in: Alberts, Gerard; Oldenziel, Ruth (Eds.): Hacking Europe. From Computer Cultures to Demoscenes, Berlin/Heidelberg (Springer) 2013 [Link]

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Ketzereien

Im Kontext der Seemann’schen Ketzerei sagte ich woanders:

Es ist sicher richtig, dass die Behauptung, Transparenz würde etwas an den Herrschaftsverhältnissen ändern (Macht ist nochmal etwas anderes), völlig naiv ist. Gleichwohl hat Seemann recht, wenn er den Finger in eine bestimmte Wunde legt: Seit den 1980ern wird die Öffentlichkeit seitens datentechnikaffiner Bürgerrechtler mit Überwachungs-, Bedrohungs-, Kontroll- und sonstwas-Szenarien bombadiert. Ununterbrochen finden Aufklärungsversuche statt: Von einem Wau Holland in den tagesthemen der 1980er bis hin zu Kryptopartys und Parteigründungen heute. Der Effekt auf den öffentlichen Diskurs ist zu vernachlässigen und wird bestenfalls in den Feuilletons größerer Zeitungen ausgetragen, ohne von hier aus einen nennenswerten Effekt zu erzeugen.

Diese Diagnose, die Seemann und Konsorten ja stellen, einfach zu negieren, indem dem durchaus „problematischen“ Post-Privacy-Diskurszusammenhang die eigenen Schwächen vordekliniert wird, entlastet aber nur scheinbar davon, die eigenen Voraussetzungen zu hinterfragen. Dass es überhaupt sinnvoll möglich ist, eine Post-Privacy-Position zu vertreten, zeigt, dass dem Privatsphären-Argument die Selbstverständlichkeit abhanden gekommen ist, die dessen Vertreter_innen ihm noch immer andichten wollen. Es bekümmert mich, dass dieses Problems seitens der einschlägigen Aktivisten trotz grandiosen Engagements nicht einfach einmal reflektiert wird.

Kurz: Sicher ist Seemanns Beitrag, trotz richtiger Diagnose, nicht konstruktiv, aber das entlastet nicht seine Gegner davon, konstruktiv mit seiner Diagnose umzugehen. Mir scheint, man möchte Seemann und Konsorten nicht einmal einen kleinen Sieg gönnen und beraubt sich selbst damit des Potentials für kritische Fragen:

Wenn Privatheit so wichtig ist, wieso zur Hölle juckt die NSA dann keine Sau?

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