Eine Rede, die wir dieses Jahr wohl nicht hören werden

Kann sich jemand vorstellen, dass Merkel oder Westerwelle so reden? Ich nicht. Allerdings kann ich es mir bei dem jetzigen rot/grünen Personal auch nicht vorstellen.

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Die 2. Sure

Ich bekam hier ein kleineres Problem nicht in den Griff und habe mir von meinem Hausarzt ein Mittelchen verschreiben lassen. Als ich das Medikament vorhin aus der Apotheke holte, entdeckte ich überrascht, dass es laut Packung aus Schwein gewonnen wurde. Schwein ist für mich nicht tabu, ich mag es nur nicht sonderlich. Aber es gibt ja nun Menschen, denen aus Gründen Schwein nicht auf den Teller kommt.

Daran hat der Hersteller gedacht und einen Abschnitt für moslemische Patienten hinzugefügt, der den Koran zitiert (173. Vers der 2. Sure). Ich bin ja nun wirklich alles andere als religiös, aber ich finde es gut, dass eine Pharmafirma an sowas denkt – nur wieso steht es dort nur auf Deutsch und Türkisch? Müsste es dort nicht wenigstens auch auf Arabisch stehen?

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Das Dosenfleisch wird auch immer klüger…

Die Spam-Bots, die WordPress-Blogs vollzumüllen versuchen, werden offenbar langsam cleverer: Ich hatte die letzten Wochen hier einige Spam-Kommentare im Filter, die ich auf dem ersten Blick beinahe als halbwegs verwirrten inhaltlichen Kommentare aufgefasst habe. Erst auf dem zweiten Blick wurde klar, dass die Software Texte des Blogs selbst benutzt hatte, um einen Text zu arrangieren. Es ist also nicht so, dass man es nicht merken kann, da man ja recht schnell erkennt, was man selbst einmal geschrieben hat – und sei es nur, dass der Stil einem bekannt vorkommt. Dennoch scheinen die Einschläge näher zu kommen, wenn ein wirrer, algorithmisch generierter Pseudokommentar prima facie kaum von einem wirren, menschlich generierten Kommentar zu unterscheiden ist. Die oft nur grobe Verbindung zum eigentlich Blogpost ist ja nun beiden gemein. Wenn man sie dann irgendwann gar nicht mehr unterscheiden kann, wird sich vermutlich nur noch die Frage stellen, ob es an der gestiegenen Qualität der Spam-Bots oder an der gesunkenen geistigen Leistungsfähigkeit der menschlichen Kommentatoren liegen mag… 😉

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Homöopathika idiotensis

Gerade schwurbeln sich einige auf Facebook mal wieder – es geht eigentlich um den Schutz von Kindern vor Zeckenbissen – den üblichen Scheissdreck zurecht, den man sich so zurecht schwurbelt, wenn man dumm oder böse ist. Nachdem einige Stunden vernünftig diskutiert wurde und auf die Gefahren von FSME & Co, die Impfmöglichkeiten, die nötige Kontrolle und die fachgerechte Entfernung von Zecken hingewiesen wurde, kam dann doch dies:

  • Irgendein Salatkraut D6 schütze vor Zecken.
  • Teebaumöl sei toll, da ist nämlich gar keine böse Chemie drin.

Wenn jemand unbedingt mit einem wörtlichen oder sprichwörtlichen Hirnschaden durch die Welt laufen möchte, dann ist mir das ja mittlerweile irgendwo egal. Ich sehe aber noch immer rot, wenn diese Leute ihre eigenen Kinder in Gefahr bringen, weil sie unreflektiert irgendeinen Dünnschiss nachlabern, der ihnen in Friseurkäseblättchen oder anderem Altpapier vorschwadroniert wurde. Ich halte diese Menschen für wahlweise dumm oder böse, auf jeden Fall aber überaus gefährlich und ich kann nur hoffen, dass Ärzte oder notfalls auch zuständige Ämter eingreifen, bevor ihren Kindern durch Hokuspokus irgendeiner Art ein Übel widerfährt. Man muss schon eine sehr narzisstische Gestalt sein, um das eigene Recht-haben-wollen über das Wohl der eigenen Brut zu stellen… wenigstens, so könnte man zynisch sagen, würde sich ein mögliches Bullshit-Gen so schneller rausmendeln.

Wenn ich aber in solchen Diskussionen widerspreche und auf die Gefahren von Dummheit, Homöopathie und Schwurbeley hinweise, dann trifft mit Sicherheit nach kurzer Zeit immer mindestens einer der folgenden Sätze zu:

  • Jemand thematisiert meinen Namen.
  • Jemand noch den letzten Dünnschiss in Richtung eines „Meinungsfreiheitsarguments“.
  • Jemand macht sexistische Unterstellung.
  • Jemand versucht sich an einem paternalistischen Tonfall.
  • Jemand führt einen Reigen von wirren Pseudoargumenten auf. (Episch: „Seit wann stimmt, was in der Wikipedia steht?“, sobald man auf dort verlinkte Studien verweist.)¹

Interessanterweise gibt es ein Phänomen, dass sich Frauen, meistens nach kurzer Zeit als Mütter zu erkennen, zu Kleingruppen zusammenschließen und dann umso heftiger ihren wirren Bullshit verteidigen. Ich habe dazu keine belastbare Messung durchgeführt, kann also den Eindruck nicht wirklich verobjektivieren, aber es scheint, dass es hier einen Genderbias gibt, der ehe Frauen dazu bringt, an Hokuspokus zu glauben. Eine genderneutrale Erklärung für diesen Eindruck wäre mir sehr willkommen. Ich finde das nämlich arg verwirrend.

¹ Diese Dummheit bringt mich ja auf die Idee, ob man vielleicht einfach dadurch jeden beliebigen Schwachsinn entkräften kann, indem man ihn in der Wikipedia verlinkt… Ja, ich weiß, dass es so nicht funktioniert.

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Wie Licht die Motten…

Ich habe schon länger das Gefühl, dass ich Idioten verschiedenster Art anziehe wie das Licht die Motten. Ich habe lange gerätselt, woran das liegen mag, denn ich suche diese jämmerlichen Kreaturen gewiss nicht auf, um mich an ihrer Dummheit zu ergötzen. Ich versuche ja sogar noch, diese Wesen nach Kräften zu vermeiden, aber jeden Tag finden sich ein oder zwei dieser Wesen, die mir beharrlich nachstellen, bis ich Ihnen mit aller Breitseite übers Maul fahre. Dann bin ich zwar – mal wieder – das arrogante Arschloch, hab aber wenigstens meine Ruhe.

Nur wieso folgen mir diese Idioten?

Ich habe jetzt eine Theorie! Es muss an meinem Nachnamen liegen: Denker. Das ist mein „Mädchenname“, denn ich habe nie geheiratet oder sonst Anlässe gehabt, meinen Namen zu ändern. Wieso sollte ich auch? Eigentlich ist er ja ganz schön und passt lustigerweise zu meinem Beruf, den ich mir gewiss nicht aufgrund des Namens ausgesucht habe.

Ich vermute aber, dass es am Namen liegt und möchte eine Erklärung versuchen. Der Grund ist, dass den Idioten im Deutschunterricht immer wieder eingetrichtert wurde, in verhassten Dramen und Trauerspielen trügen Charaktere ihren Namen nie aus Zufall. Man denke doch nur an den „Wurm“ aus Schillers Kabale und Liebe. Da es aber nun den gemeinen Idioten auszeichnet, nicht eigenständig denken zu können beziehungsweise bloß für sich denken zu können, also in einer Art Wahnsinn des Eigendünkels ohne jede Möglichkeit der externen Korrektur zu ersaufen, merken sie nicht, dass das Leben sich trotz Hollywood und ultimativ perverser Kunstform (Žižek) nicht dem Drama gleicht und im Realen nicht hinter jeder Ecke der Witz eines Autors oder Autorenkollektivs lauert, sondern schnödester Zufall. Und so nehmen diese Idioten „nomen est omen“ für wahr, sehen Denker und fühlen sich sogleich provoziert – als ob es schon schlimm genug sei, dass jemand so heiße, aber wehe er sei auch noch auch nur einen Gran klüger „als wie der Normalo“(sic!), der man selbst sei.

Und so sülzte mich gerade mal wieder eine Frau voll und als ihr „Argument“ ihr schneller abhanden kam als einem Unionspolitiker die Wahrheitsliebe, schleimte es aus ihr heraus, wie es aus so vielen Idioten so schnell herausschleimt: „Na, Dein Name…“

I rest my case.

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Internet von lokalen Erzeugern

Als einige in Deutschland ansässige Anbieter von Internet-Dienstleistungen vor kurzem mit lautem Gegacker einen peinlichen Konfigurationsfehler fixten und endlich TLS für den Mail-Transport zwischen ihren Rechenzentren einschalteten, wurde klar, wie seitens deutscher Anbieter auf die Massenüberwachung reagiert werden soll: nämlich gar nicht. Wer TLS für die geeigneten Abwehrmittel gegen die NSA hält, hält auch de-Mail für siche…oh wait.

Worauf ich hinaus will, ist dieses: Die Marketingaktion läuft darauf hinaus, den Deutschen einen schlecht gemachten Aufguss des bio-Lebensmittel-Hypes zu verkaufen. Wir sollen ja Fleisch von lokalen Erzeugern kaufen, damit wir hinfahren können, um zu sehen, wie die Kühe wirklich leben müssen, bevor sie auf unserem Teller landen. Natürlich nur, wenn das nötige Einkommen, die nötige Zeit, die nötige Kooperationsbereitschaft des Erzeugers, … gegeben sind. Es würde mich wirklich überraschen, wenn man sich die Anzahl dieser „Begehungen“ nicht an einer Hand abzählen könnte. Die gleiche Geschichte bekommen wir jetzt mit dem Internet von lokalen Erzeugern. Es ist nur eben Bullshit, zu glauben, man könne sich vor Überwachung schützen, indem man zu einem Provider zieht, der an einem CIX hängt, zu dem die NSA einen Uplink hat.

Aber dann macht es aus anderen Gründen Sinn und der Sinn ist, dass die USA ein kapitalistisches Land sind, deren Informationswirtschaft seitens der Regierung durchaus gehört wird. Ziehen wir also alle unsere IT-Dienstleistungen, die wir eingekauft haben, aus den USA ab und gehen nach Europa, dann machen wir es der NSA zwar kein bisschen schwieriger, aber wir machen Druck auf die IT-Firmen, die sich bisher allzu tief gegenüber der eigenen Regierung bückten.

„Internet von lokalen Erzeugern“ ist technisch lächerlich und sicherheitsmäßig affig, aber übersetzt ein politisches Problem in eine Sprache, die vielleicht verstanden wird.

 

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Konzentrationsprobleme bei Frontal21

Vor etwas über zwei Monaten brachte das TV-Magazin Frontal21 einen unglaublich schlechten Beitrag zu AD(H)S und Ritalin, der den üblichen Schwachsinn interessierter Eso-Kreise besonders widerlich wiederkaute. Ich rantete einige Zeit auf Twitter herum, bis mich der Twitter-Account von Frontal21 aufforderte, doch eine E-Mail zu schreiben. Das tat ich, aber ich bekam bisher keine inhaltliche Antwort. – Ehrlich gesagt hätte mich das auch überrascht, denn schließlich lebt die Ritalin-Hysterie von Vorurteilen und Lügen, denn schließlich verkauft sich die Behauptung, die Pharmaindustrie würde Kinder fressenvergiften wollen, einfach besser als ein: „Es gibt schon ein paar Probleme, doch die Situation ist nicht sonderlich dramatisch.“ Das gilt vermutlich auch für Frontal21 und so kümmert man sich dort nicht immer um die Wahrheit, wenn sie sich nicht gut verkauft. Schade.

Gerne dokumentiere ich hier die E-Mail, die ich Frontal21 schrieb:

Subject: Krasse Fehler im AD(H)S-Beitrag
Date: Tuesday 11 June 2013, 12:28:27
From: Kai Denker <…>
To: frontal21@zdf.de

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe über ein Facebook-Posting Ihren letztwöchigen Beitrag zum Thema AD(H)S gefunden und daraufhin bereits letzte Woche mit Ihrem Twitter-Account diskutiert.

Ich bin ehrlich gesagt enttäuscht, da dieser Beitrag zu den schlechtesten Beiträgen zum Thema gehört, die mir seit langem untergekommen sind. Ich bin auch etwas frustriert, da ich den Eindruck habe, dass man hier zunehmend gegen Windmühlen anschreiben muss.

Ich freue mich zwar, dass Sie sich um das Wohl von Kindern sorgen und skeptisch gegenüber der Pathologisierung von abweichendem Verhalten sind, jedoch haben Sie es versäumt, die entscheidenden Fragen zu stellen. Ich habe mir daher erlaubt, im Folgenden einige Frage aufzulisten (teils mit Ideen einer möglichen Antwort oder Rechercheansätzen), von denen ich hoffe, dass sie Ihnen Anlass für eine erneute Überprüfung Ihrer Behauptungen geben:

(1) Wenn Methylphenidat chemisch ein Aufputschmittel ist, wieso kann es dann überhaupt dazu dienen, AD(H)S-Menschen augenscheinlich(!) zu beruhigen? Wie kann man diese scheinbar paradoxe Reaktion erklären? (Methylphenidat beruhigt tatsächlich AD[H]S-Menschen nicht, sondern macht auch diese wacher – aber eben wach genug, um sich konzentrieren zu können. Anschaulich könnte man sagen, dass AD[H]S-Menschen die „Energie“ fehlt, um sich konzentrieren zu können. Es ist also nicht zuviel „Energie“, die „raus muss“. Andernfalls wäre auch völlig rätselhaft, wieso Methylphenidat als Dopingmittel zur Leistungssteigerung verwendet wird und wieso Studierende es angeblich einsetzen, um ihre Lernleistungen zu verbessern. Ihre Behauptung, man würde mit dem Medikament „unbequeme Kinder ruhig stellen“ ist also grundfalsch und zeigt, dass Sie die Wirkungsweise von Methylphenidat nicht verstanden haben.)

(2) Akzeptiert man aber die Behauptung von der paradoxen Wirkung, dann stellt sich diese Frage: Wenn AD(H)S eine „erfundene Krankheit“ ist, wie kann es dann sein, dass das Medikament bei „Kranken“, also Menschen die in Wirklichkeit gar nicht an AD(H)S leiden sollen, anders wirkt, als bei „Gesunden“? Wenn es keinen wirklichen Unterschied zwischen „Kranken“ und „Gesunden“ gibt (was aus der Behauptung folgt, dass es eine „erfundene Krankheit“ ist), müsste dann das Medikament nicht bei beiden gleich wirken? Anders formuliert: Eine „paradoxe Wirkung“ kann es nur geben, wenn es wirklich einen Unterschied zwischen Kranken und Gesunden gibt – dann kann es aber keine „erfundene Krankheit“ sein.

(3) Hilft das Medikament den betroffenen Menschen? Fühlen sich die Verwender_innen damit besser? (Man kann diese Frage nicht an Einzelfällen, sondern nur mit repräsentativen Studien [Plural!] beantworten, die im Längs- und im Querschnitt betroffene Menschen untersucht.)

(4) Wenn AD(H)S für die Pharmaindustrie ein so wichtiger Markt ist, wieso versucht die Industrie dann nicht mit Scheininnovationen ihren Gewinn zu steigern? Für Methylphenidat ist der Patentschutz schon lange erloschen und es gibt sehr viele Generika. Wieso reitet die Pharmaindustrie einen toten Gaul, wenn sie in anderen Fällen mittels Scheininnovationen ihren Umsatz so stark steigern konnte? Könnte es nicht sein, dass die Pharmaindustrie gar kein so großes Interesse mehr an Methylphenidat hat? Lassen sich denn konkrete Hinweise finden, dass die Pharmaindustrie Ärzte dazu anhält, genau ihre Ausgabe von Methylphenidat zu verschreiben, während die Krankenkassen sich längst mit der Industrie auf Rabattverträge für konkrete Hersteller geeinigt hat? Wie ist dieses Bild zusammenzukriegen?

(5) Wieso sind es immer die gleichen wenigen „Experten“, die die Existenz von AD(H)S bestreiten? Könnte es nicht sein, dass diese „Experten“ eine Kampagne gegen AD(H)S fahren, um für sich selbst Aufmerksamkeit zu gewinnen, z.B. um Erziehungsratgeber, alternative (selbstentwickelte) Therapien zu verkaufen etc.? Es gibt im Gesundheitsbereich eine so große
Zahl von Quacksalbern, dass es sich doch mal lohnt, auch diesen „Experten“ genau auf die Finger zu schauen, statt sie immer nur als gefällige Stichwortgeber einzusetzen. Haben diese „Experten“ also nicht vielleicht selbst ein Interesse daran, die Existenz von AD(H)S zu bestreiten, das möglicherweise sogar in einer eigenen Gewinnerzielungsabsicht liegt und gar nicht das Wohl der Kinder im Blick hat?

(6) Lässt sich die Veränderung der Zahl der AD(H)S-Diagnosen nicht auch anders erklären? z.B. durch gestiegenes Bewusstsein für die Krankheit? Die im Beitrag genannten 20 Jahre sind ein langer Zeitraum und es handelt sich um einen komplexen Zusammenhang, der zum Anstieg führen kann.
Beispielsweise „gibt“ es AD(H)S in Deutschland für Erwachsene erst seit wenigen Jahren. Zuvor galten betroffene Menschen mit ihrem 18. Geburtstag als „geheilt“. Könnte der Anstieg nicht auch dadurch geklärt werden, dass hier nun eine differenziertere Sicht vorherrscht (und anders formuliert: erwachsene AD(H)S-Menschen nicht mehr im Stich gelassen werden)?

(7) Könnte die schlechte Qualität der AD(H)S-Diagnostik, d.h. die Über-, aber auch die Unterdiagnose, nicht am Fehlen von Fachärzten liegen? AD(H)S ist ein kompliziertes Krankheitsbild, das von Hausärzten kaum abgedeckt werden kann. Gleichzeitig haben Fachärzte in vielen Städten Wartelisten von sechs bis neun Monaten und es gibt nur wenige AD(H)S-Schwerpunkt-Praxen. Könnte es nicht sein, dass die Probleme des Gesundheitssystem, insbesondere die Teils katastrophale Unterversorgung mit Fachärzten, eine größere Rolle spielen als die „Erfindung einer Krankheit“ oder mangelnde Bereitschaft, sich mit „schwierigen Kindern“ auseinanderzusetzen?

(8) Die Aushandlungsprozesse in einer wissenschaftlichen Community sind kompliziert und entsprechend ist auch die Erstellung des DSM ein heikler, komplexer Vorgang, der auch kulturelle Unterschiede einschließt. (Z.B. könnte die aus europäischer Sicht absurde Pathologisierung von Trauerphasen mit einem anderen arbeitsrechtlichen Umfeld in den USA zu tun haben, sodass hier Trauernde über den Umweg eine Pathologisierung eine Unterstützung erhalten, die in Europa durch andere Mechanismen gewährt wird?) Dennoch lässt sich die Aufnahme einer „erfundenen Krankheit“ nur dann plausibilisieren, wenn man annimmt, dass die Mehrheit der beteiligten Wissenschaftler_innen entweder „dumm“, „bösartig“ oder „korrupt“ sind. Das ist aber an sich keine plausible
Annahme: Vermutungen, eine ganze Community sei dumm, bösartig oder unfähig, verbieten sich eigentlich von selbst, sofern nicht gezeigt werden kann, wie genau ihre Arbeitsweise es verhindert, dass sich neue Positionen durchsetzen oder dass Kritik gehört und beantwortet wird. Die Annahme, die Mehrheit der Wissenschaftler_innen sei korrupt, also von der Pharmaindustrie bezahlt, kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Sollten Sie Hinweise darauf finden, dass die Mehrheit der Wissenschaftler_innen gekauft ist, geben Sie meine E-Mail-Adresse bitte an die Pharmaindustrie weiter, damit  ich meinen Honorarcheck erhalten kann. Im Ernst: Der Wissenschaftsprozess ist auf die Außenseiter angewiesen, aber fast immer liegen die Außenseiter falsch und wir tun gut daran, deren Positionen nicht übermäßig zu beachten. Nicht jeder Außenseiter ist ein Galileo Galilei. Das ist nicht wirklich eine Frage, aber dennoch: Ich habe Sie falsch verstanden, dass Sie unterstellen wollten, die meisten Wissenschaftler_innen, die am DSM beteiligt waren, seien in irgendeiner Form korrumpiert, oder?

Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Punkte gelegentlich nicht wegwischen, sondern bedenken würden. Auch über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit lieben Grüßen aus Darmstadt,

Kai Denker

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Ich hab’s doch nur gut gemeint

Die etwas bizarre Diskussion zu whistle.im, in der nexus vom CCC Hanover dem angeblich sicheren Instant Messenger schwere Designfehler nachgewiesen und auf die der Anbieter etwas weinerlich reagiert hat, erinnert an ein Problem, das uns Nettigkeit und Weichheit im Umgang mit Unsinn eingebrockt hat: Jemand mag noch so einen Bullshit bauen, vermag aber Absolution zu beanspruchen, wenn die Absichten nur hinreichend redlich waren: …ich hab’s doch nur gut gemeint. – Ja, mag sein, war trotzdem scheiße und hat eine schlimme Situation noch schlimmer gemacht. Im vorliegenden Fall wurde Menschen, die sichere Kommunikationsmittel benötigen, eine Sicherheit vorgespielt, die schon qua Design unmöglich ist. (Wenn whistle.im also ankündigt, die Lücken, die ihnen vorgehalten wurden, zu beseitigen, dann meinen sie damit hoffentlich, dass sie das komplette bisherige Design wegwerfen und zurück an den Anfang der Entwurfsphase gehen.) Kurz: Der ohnehin unübersichtliche Markt von unsicheren und halbsicheren Instant-Messenger-Lösungen wurde um eine Anwendung reicher, die Sicherheit nur vorspielt und daher Menschen gefährdet, die ihre Sicherheit nicht selbst einschätzen können.

„Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“, heißt es in Dantes Göttlicher Komödie. Und ich muss mal wieder an all die Schwätzer, Homöopathen, Hinterbänkler, Minister, Mitarbeiter, … denken, die in den besten Absichten völlige Scheiße bauen und sich am Ende über eine Kritik beklagen, die sie so verdient haben.

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Der unbestimmte Artikel

Manchmal sind es Kleinigkeiten, die eine Geisteshaltung verraten. Diesmal ist es eine Artikelüberschrift:

London: Partner eines schwulen Journalisten festgehalten

Gemeint ist Glenn Greenwald, dessen Lebenspartner von britischen Beamten am Flughafen Heathrow schikaniert und ausgeplündert wurde. Das Medium, das diese denkwürdige Überschrift produziert hat, ist das schwule „Nachrichtenportal“ queer.de, das sich in den vergangenen Jahren vor allem dadurch hervorgetan hat, dass es die Piratenpartei hasste, Netzpolitik geringschätzte und sich tief ins Gesäß von Volker Beck und seiner Partei vergraben hat. Entsprechend ist queer.de hinsichtlich NSA-Skandals auch ein Totalausfall:

gayromeo.com sitzt mittlerweile in den Niederlanden, ist also „Auslandsdatenverkehr“. Der BND möchte die Überwachung von „Auslandsdatenverkehr“ ausbauen. recon.com, das sich an schwule Fetischisten wendet, sitzt in Großbritannien und wer in den letzten Monaten nicht unter einem Stein, sondern in der Nähe einer Zeitung o.ä. gelebt hat, hat mitbekommen, dass die Briten wenig Zurückhaltung bei der Massenspeicherung kennen. Hinzu kommt, dass recon.com kein HTTPS unterstützt und so alle Bilder der geneigten Gummi- und Lederfetischisten komplett unverschlüsselt durch die Abhörhardware läuft. Es gäbe also eine Menge schwuler Themen am Überwachungsskandal und es gäbe genug Grund, mal die eine oder andere Frage zu stellen – und sei nur, dass queer.de mal bei recon.com anfragt, wie es denn so mit HTTPS aussieht.*

Doch nichts davon auf queer.de. Anzahl Beiträge: NULL.

Grandioser kann man ein Thema nicht verkacken und ich kann mir nicht vorstellen, wie sich queer.de noch weiter blamieren will.

 

 

* Ja, es ist mir bekannt, dass HTTPS Geheimdienste nicht wirklich abhalten wird. Dennoch ist es ein kleiner Skandal, dass recon.com kein HTTPS unterstützt.

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Schwuler Sport

Gestern saß ich in Darmstadt im F-Bus vom Schloss zum Hauptbahnhof. Am Luisenplatz stieg ein junger Typ, blaues Shirt, ein, fing sofort an zu telefonieren und berichtete so laut, dass der ganze Bus es hören könnte, von seinem tollen neuen wissenschaftlich begründbaren Hochintensitätsfettverbrennungssport namens „Tabata“:

Der heißt Tabata… ja, ich weiß, das klingt total schwul. Der ist aus Japan. Die haben doch alle so Namen.

Mir schräg gegenüber saß eine Speckbarbiejunge Frau, die sich über die Bezeichnung eines japanischen Nachnamens als schwul sichtlich amüsierte. Ich schaute sie streng an und schüttelte den Kopf. Sie verstummte und schaute verschämt weg – offenbar wissend, dass ihr Amüsement unangemessen war.

Warum ich das erzähle? Weil ich mich über mich selbst ärgere. Ich hätte dem Typen sofort ein „Ey!“ an den Kopf knallen sollen. Hätte. Andererseits habe ich keine Lust, jedesmal, wenn irgendein (vermutlich heterosexueller) Vollidiot irgendwo seine Arschlochigkeit zelebriert, zu widersprechen. Ich habe überhaupt keine Lust, mit solchen Menschen überhaupt irgendwas zu tun zu haben. Wer mag schon Arschlöcher? Und wer mag dann mit diesen Leuten auch noch reden wollen? Und sei es nur ein „Ey!“…

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