[30c3] Leben wir in einem Panopticon? Wie uns eine elegante Theorie in die Sackgasse führte

Ich habe übrigens einen Vortrag für den 30c3 eingereicht (und hoffe, dass er angenommen wird):¹

Betrachtet man die Programme unserer Kongresse und Tagungen der letzten Jahre, kommt man – wenigstens in den Slots zu Ethik, Gesellschaft und Politik – um einen Begriff nicht herum: das Panopticon. 1791 von Bentham erstmals skizziert und 1976 von Foucault zur Beschreibung moderner Gesellschaften popularisiert scheint das Panopticon das Parademodell für den Typus Überwachungsstaat abzugeben, in dem wir uns seit der immer bizarreren Durchdringung der Informationstechnik durch Geheimdienste und Sicherheitsapparate befinden. Dennoch hat das Panopticon zahlreiche Probleme, die auf unsere postmoderne Gesellschaftsordnung nicht mehr recht zu passen scheinen. Vor allem beantwortet es zwei Fragen nicht befriedigend: Wie kommt es, dass Menschen ihre eigene Unterdrückung wollen? Und was kann man dagegen tun? Kurz: Wenn wir in einem Panopticon leben, wieso ist es dann (fast) allen Menschen egal?

Kommt man mit den bisherigen Überlegungen nicht weiter, lohnt es sich oft, einen Schritt zurück zu machen und eine andere Theorie zu versuchen. Unterstellen wir doch einmal probeweise, die Menschen müssten nicht einfach nur noch weiter aufgeklärt werden. Schließlich haben alle öffentlichen Diskussionen in den letzten Jahren nie zu einem nachhaltigen Aufschrei geführt. Ist es dann nicht vielleicht so, dass wir gar nicht in einem Panopticon leben, unsere Theorie also falsch ist? Und das angenommen, wie können wir die bizarre Situation um uns herum angemessen beschreiben und vielleicht sogar den beiden genannten Fragen näher kommen?

Seitens der Philosophie, aus der das Konzept das Panopticons im späten 18. Jahrhundert hervorging, ist im laufe des 20. Jahrhunderts die Kritik an seinem Begriff immer lauter geworden und es wurden mehrere Vorschläge zu seiner Weiterentwicklung oder gar Ablösung gemacht. In meinem Vortrag werde ich erst den Begriff des Panopticons in seiner Verwendung durch Foucault rekonstruieren und Euch zeigen, wie begrenzt Foucaults Begriff eigentlich ist. Dann werde ich Euch einige alternative Entwürfe vorstellen, wobei ich mich auf den Anfang der 1990er Jahre von Gilles Deleuze – einem französischen Philosophen – vorgeschlagenen Begriff der Kontrollgesellschaft konzentrieren werde. Deleuze schafft es meiner Ansicht nach, zu erklären, wieso so viele Menschen die ständige Überwachung und Dressur nicht nur tolerieren, sondern sogar für sich wollen. Glauben wir Deleuze, dann ist unsere Situation noch schlimmer und noch verfahrener, als wir dachten. Vielleicht kommen wir aber auch der Frage näher, was wir dagegen tun können.

¹ Da das Review nicht blind ist, kann ich Euch auch genauso gut jetzt schon verraten, was ich eingereicht habe.

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Wie ich dann doch kein Idiot wurde (obwohl ich es mir vorgenommen hatte)

Vor einigen Tagen flog Hans-Christian Danys Morgen werde ich Idiot. Kybernetik und Kontrollgesellschaft (Hamburg: Nautilus, 2013) in meine Filterbubble und wollte gelesen werden.

Das Thema ist grundsätzlich erstmal spannend: Welche Reste der Kybernetik tummeln sich im Inneren dessen, was gemeinhin „Kontrollgesellschaft“ genannt wird? Innovativ ist das Thema aber hingegen nicht wirklich: Die Geschichte oder die Nachgeschichte der Kybernetik erlebt immer wieder kurze konjunkturelle Phasen und ihre Restspuren in in die Gegenwart reichenden Diskussionen sind bekannt und mehr oder minder gut untersucht (am deutlichsten vielleicht in der Systemtheorie, aber auch – wenngleich weniger bekannt – in der Differenzphilosophie). Neuveröffentlichungen in diesem Feld sind entsprechend oft Aufgüsse schon bekannter Zusammenhänge oder zunehmend subtile Detailuntersuchungen. Diese Unterscheiden sich von jenen in einem entscheidenden Punkt: Schaffen sie es, über die bloße Feststellung eines Zusammenhangs zur Kybernetik erstens und zweitens über die bloße Skizze der Begrenztheit der Kybernetik hinauszugehen? Danys knapp 130seitiges Büchlein schafft keins von beiden.

Sicher, er versammelt eine illustre Zahl an einschlägigen, fast ausschließlich männlichen Autoren, bleibt hier aber erschreckend konservativ. Außer einigen wenigen Referenzen an postdemokratische, religionsgeschichtliche oder literatische Diskussionszusammenhänge liest sich das Literaturverzeichnis wie die typische Zusammenstellung einer frühen Forschungsskizze: Seitens der Kybernetik treten – unvermeidbar! – Ashby, Deutsch, von Foerster, Klaus, Wiener auf, seitens der klassischen Philosophie neben Heidegger allen Ernstes Kant (Kritik der Urteilskraft) und der frühe Wittgenstein und seitens der neueren Philosophie schließlich die üblichen Verdächtigen auf: Baudrillard, Deleuze, Foucault, Haraway, Serres. Die Liste zeigt schon, dass es weniger um einen Nachweis der eigenen Stichwortgeber_innen, sondern eher um die Demonstration der eigenen Belesenheit (bösartige Deutung) oder der Serviceleistung für weitergehend interessierte Leser_innen geht (freundliche Deutung). Entsprechend erspart der eigentliche Text auch sämtliche Fußnoten, nennt nur an ganz wenigen Stellen einen konkreten Bezugspunkt in der Literatur und liefert ansonsten genau die Anspielungen, die die Kenner_in der Literaturliste natürlich sofort erkennt – eher langweilig: Management-Praktiken, Mobilmachung des Subjekts, …

Die Rekonstruktion der einzelnen Positionen im Text ist wenig innovativ und wirkt eher wie eine flüchtige Dokumentation der eigenen Lektüre-Erfahrung. Ein Beispiel: Der von mir so geliebte Deleuze tritt – wie könnte es anders sein – mit dem „Postskript über die Kontrollgesellschaften“ auf und zwar nur mit diesem. Dass Deleuze in diesem kurzen Text eine ganze Batterie von eigenen Überlegungen und Überlegungen Foucaults, der ausschließlich mit Überwachen und Strafen auftritt, in Anschlag bringt, ignoriert Dany geflissentlich und pickt sich einige einfach verständliche Wendungen heraus: In den Disziplinargesellschaften fängt man immer neu, in den Kontrollgesellschaften wird man nie fertig. Großes Kino, also ich meine die Filmvorschau. Zum Hauptfilm kommt Dany, um im Bilde zu bleiben, einfach nicht. Die gesamte Darstellung der genannten Literatur spielt sich meines Erachtens genau auf diesem Niveau ab: einige verständliche Bemerkungen werden extrahiert und anschließend in einem Text arrangiert, der jene in einen wirren Fluss von allzu gut konstruierten biographisch daher kommenden Anekdoten positioniert. Die Geschichte des Großvaters, der einem Reformgefängnis in Hamburg vorstand, passt zu gut in die Darstellung, während Episoden des Erwachens eher benommen-rauschhaft und entsprechend deplatziert wirken.

All das kommt über die bloße Diagnose eines kaum näher bestimmten Zusammenhangs nicht hinaus: Irgendwie hat die Kontrollgesellschaft etwas von der Kybernetik, aber weder genealogisch, noch systematisch wird dieser Zusammenhang irgendwie klar. Schließlich versagt der Text auch bei dem Versuch, einen Ausweg aus der Kontrollgesellschaft zu skizzieren: Der Idiot, der Privatdenker, soll es sein, der sich der Kontrolle entzieht – von Dany textlich mit einer Traumsituation garniert. Das mag an Deleuze‘ Überlegung, man müsse Vakuolen der Nicht-Kommunikation schaffen, erinnern, springt aber nicht weit genug: Der von Nietzsche inspirierte Empirist Deleuze misstraute dem, was oft einfach „Denken“ genannt wird, schließlich so sehr, dass für ihn die Lösung kaum in einem bloßen Rückzug in ein privates Delirium gelegen haben kann. Dafür sind auch die Anspielungen auf den Kampf und das Schaffen von Waffen bei ihm viel zu deutlich. Wo Dany ansonsten den Idioten als Ausweg aus der Kontrollgesellschaft hernehmen könnte, weiß ich nicht.

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Peer und die Skript-Kiddies

Die SPD in Münster teilt mit:

https://twitter.com/spdmuenster/status/373119930398691328

https://twitter.com/spdmuenster/status/373119930398691328

O-M-G-! Und so jemand will Kanzler werden? Aber gut… erstmal ruhig in eine Tüte atmen und beruhi… buhahahahaha!!!!!!

Nun, was könnte der Herr Steinbrück denn meinen? Er will sich GPG, SSL, Tor, Truecrypt/LUKS, … erklären lassen und dann auch lernen, welche Maßnahmen die Geheimdienste einsetzen, um diese Mechanismen zu brechen? Will er dann auch erfahren, dass diese Maßnahmen wenigstens teilweise legalisiert wurden, als er in der Regierung saß? Nein, bestimmt nicht. Das würde ja zur Selbstkritik führen! – Vielleicht will er auch mit Skript-Kiddies reden, wie man so eine richtig fette DNS Amplification mit einem Botnets gegen nsa.gov machen kann? Vielleicht haben wir ja dann das Glück, dass die USA das als Cyberangriff sehen und uns von der SPD befreien? …

Sorry, Peer, Du hast einfach keine Ahnung. Da hilft auch Dein Anbiedern nichts…

PS: Einige auf Twitter vermuten, es handele sich um einen Fake. Die SPD in Münster stellt klar:

https://twitter.com/spdmuenster/status/373146235169165312

https://twitter.com/spdmuenster/status/373146235169165312

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Ist Gödel Gott?

Eigentlich wollte ich dieses Paper ja ignorieren, aber da mich zwei Freunde darauf angesprochen haben, schreibe ich doch etwas über diesen „Gottesbeweis“. Gemeint ist das zweiseitige Paper „Formalization, Mechanization and Automation of Gödel’s Proof of God’s Existence“ von Christoph Benzmüller und Bruno Woltzenlogel Paleo, dem die Telepolis auch ein Interview gewidmet hat.

Die Autoren behaupten, sie hätten Gödels (ontologischen) Gottesbeweis mit einem bisher nicht erreichten Grad „of detail and formality“ mittels einem Theorembeweisers untersucht. Akzeptieren wir das, auch wenn es sicher mehr über Gödels Beweis zu sagen gäbe als zwei Seiten. Und hinterfragen wir auch nicht die Rolle von Theorembeweisern, auch wenn es seitens radikaler Auffassungen platonischer Mathematiker dazu sicher das ein oder andere zu sagen gäbe. Unterstellen wir auch, die Autoren hätten sonst keinen Fehler gemacht.

Was haben sie dann bewiesen? Jedenfalls nicht, dass Gott existiert, sondern dass aus den von Gödel postulierten und von Dana Scott formalisierten Voraussetzungen (Axiome und Definitionen) Gödels tatsächlich die Konklusion folgt, dass Gott notwendigerweise existiert. Es handelt sich also nicht ein apodiktisches, sondern um ein hypothetisches Urteil: Gott existiert notwendigerweise dann, wenn die Voraussetzungen zutreffen. Ob die Voraussetzungen zutreffen, ist nicht Gegenstand des Papers, von Gödels Beweis oder des Telepolis-Interviews. Doch was sind die Voraussetzungen, die zutreffen müssen, damit Gott beweisbar existiert? Unter anderem diese (Ich habe die Folgerungen weggelassen und nur der Lesbarkeit halber, einige Umformulierungen vorgenommen. Im Zweifel gilt der Originaltext):

  • Axiom 1: Eine Eigenschaft ist entweder positiv oder seine Negation ist positiv. „positiv“ bezeichnet dabei nicht einen Wahrheitswert, sondern ein Prädikat, wie es im ursprünglichen ontologischen Gottesbeweis auftritt.
  • Axiom 2: Eigenschaften, die von positiven Eigenschaften impliziert werden, sind positiv.
  • Definition 1: Eine Entität, die die Eigenschaft Gott-artig hat, besitzt alle möglichen positiven Eigenschaften.
  • Axiom 3: Die Eigenschaft, Gott-artig zu sein, ist positiv.
  • Axiom 4: Alle Eigenschaft, die positiv sind, sind notwendigerweise positiv.
  • Definition 2: Die Essenz eines Individuum ist eine Eigenschaft, die ihm zukommt und die jede Eigenschaft des Individuum notwendigerweise impliziert.
  • Definition 3: Die Eigenschaft der notwendigen Existenz eines Individuums implizit notwendigerweise, dass alle seine Essenzen der Fall sind.
  • Axiom 5: Die Eigenschaft der notwendigen Existenz ist eine positive Eigenschaft.

Hinzu kommt die Voraussetzung („Axiom 0“), dass die Logik KB geeignet ist, um ontologisch valide Aussagen über das Universum zu machen. D.h., dass angenommen werden muss, dass das Universum ein Modell der Logik KB sein muss. Das ist nicht trivial, da es ja durchaus sein könnte, dass das Universum eigentlich überaus wirre Eigenschaften hat, während es bloß logisch in den Bereichen ist, die wir uns bisher angesehen haben. Bösartig gesagt unterliegt auch die Logik der Notwendigkeit einer Bewährung(, aber darüber werde ich mich nicht streiten).

Schauen wir uns also die Axiom 0-5 an. Es ist sofort klar, dass jeder Satz einen großen ontologischen Aussagegehalt hat, d.h. dass er starke Behauptungen darüber aufstellt, welche Eigenschaften das Universum hat, und es dürfte auf der Hand liegen, dass wir damit schon weit außerhalb dessen sind, was wir wissen können. Es geht schon damit los, dass die Behauptung, aus positiven Eigenschaften folgten nur positive Eigenschaften, ziemlich heikel ist, sofern man unter positiv eine Art Wertzuschreibung verstehen möchte. Es muss dann objektive Werte geben, die eine bestimmten Struktur gehorchen. Die formale Logik muss sich darum natürlich nicht kümmern, sondern schließt dieses Problem in der Formalisierung aus: An der Stelle von positiv kann im Beweis jede andere Eigenschaft stehen. In Frage kommt z.B. die Eigenschaft rachsüchtig. 😉

Wird also zurecht wegen des Papers laut gegackert? Nein. Die Forschung an Theorembeweisern ist wichtig und spannend, keine Frage. Aber auch hier ist das Paper wenig ergiebig, da es nur sagt, was gemacht wurde, aber nicht wie es genau gemacht wurde. Ich bin kein Experte für Theorembeweiser und kann daher nicht beurteilen, wie revolutionärneu die eingesetzten Techniken sind, die das Paper referenziert. Wie dem auch sei: Theorembeweiser bewegen sich innerhalb formaler Systeme und können daher eben nur Aussagen über formale Systeme treffen. Ontologische oder andere philosophische Probleme sind damit noch gar nicht berührt. Entsprechend gering ist daher auch der Aussagegehalt des Papers für die Philosophie: Wir wissen nun, dass in der KB-Logik Gödels Beweis folgerichtig ist, aber ob der Beweis ontologisch wahr ist, wissen wir kein bisschen mehr als vorher. Die einzige Sicherheit, die hinzugekommen ist, ist, dass Gott in einem hinreichend wirren Universum, nämlich in einem Universum, das die geforderten Axiome erfüllt, notwendigerweise existiert. Ob unser Universum hinreichend wirr ist, wissen wir nicht.

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Eine Rede, die wir dieses Jahr wohl nicht hören werden

Kann sich jemand vorstellen, dass Merkel oder Westerwelle so reden? Ich nicht. Allerdings kann ich es mir bei dem jetzigen rot/grünen Personal auch nicht vorstellen.

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Die 2. Sure

Ich bekam hier ein kleineres Problem nicht in den Griff und habe mir von meinem Hausarzt ein Mittelchen verschreiben lassen. Als ich das Medikament vorhin aus der Apotheke holte, entdeckte ich überrascht, dass es laut Packung aus Schwein gewonnen wurde. Schwein ist für mich nicht tabu, ich mag es nur nicht sonderlich. Aber es gibt ja nun Menschen, denen aus Gründen Schwein nicht auf den Teller kommt.

Daran hat der Hersteller gedacht und einen Abschnitt für moslemische Patienten hinzugefügt, der den Koran zitiert (173. Vers der 2. Sure). Ich bin ja nun wirklich alles andere als religiös, aber ich finde es gut, dass eine Pharmafirma an sowas denkt – nur wieso steht es dort nur auf Deutsch und Türkisch? Müsste es dort nicht wenigstens auch auf Arabisch stehen?

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Das Dosenfleisch wird auch immer klüger…

Die Spam-Bots, die WordPress-Blogs vollzumüllen versuchen, werden offenbar langsam cleverer: Ich hatte die letzten Wochen hier einige Spam-Kommentare im Filter, die ich auf dem ersten Blick beinahe als halbwegs verwirrten inhaltlichen Kommentare aufgefasst habe. Erst auf dem zweiten Blick wurde klar, dass die Software Texte des Blogs selbst benutzt hatte, um einen Text zu arrangieren. Es ist also nicht so, dass man es nicht merken kann, da man ja recht schnell erkennt, was man selbst einmal geschrieben hat – und sei es nur, dass der Stil einem bekannt vorkommt. Dennoch scheinen die Einschläge näher zu kommen, wenn ein wirrer, algorithmisch generierter Pseudokommentar prima facie kaum von einem wirren, menschlich generierten Kommentar zu unterscheiden ist. Die oft nur grobe Verbindung zum eigentlich Blogpost ist ja nun beiden gemein. Wenn man sie dann irgendwann gar nicht mehr unterscheiden kann, wird sich vermutlich nur noch die Frage stellen, ob es an der gestiegenen Qualität der Spam-Bots oder an der gesunkenen geistigen Leistungsfähigkeit der menschlichen Kommentatoren liegen mag… 😉

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Homöopathika idiotensis

Gerade schwurbeln sich einige auf Facebook mal wieder – es geht eigentlich um den Schutz von Kindern vor Zeckenbissen – den üblichen Scheissdreck zurecht, den man sich so zurecht schwurbelt, wenn man dumm oder böse ist. Nachdem einige Stunden vernünftig diskutiert wurde und auf die Gefahren von FSME & Co, die Impfmöglichkeiten, die nötige Kontrolle und die fachgerechte Entfernung von Zecken hingewiesen wurde, kam dann doch dies:

  • Irgendein Salatkraut D6 schütze vor Zecken.
  • Teebaumöl sei toll, da ist nämlich gar keine böse Chemie drin.

Wenn jemand unbedingt mit einem wörtlichen oder sprichwörtlichen Hirnschaden durch die Welt laufen möchte, dann ist mir das ja mittlerweile irgendwo egal. Ich sehe aber noch immer rot, wenn diese Leute ihre eigenen Kinder in Gefahr bringen, weil sie unreflektiert irgendeinen Dünnschiss nachlabern, der ihnen in Friseurkäseblättchen oder anderem Altpapier vorschwadroniert wurde. Ich halte diese Menschen für wahlweise dumm oder böse, auf jeden Fall aber überaus gefährlich und ich kann nur hoffen, dass Ärzte oder notfalls auch zuständige Ämter eingreifen, bevor ihren Kindern durch Hokuspokus irgendeiner Art ein Übel widerfährt. Man muss schon eine sehr narzisstische Gestalt sein, um das eigene Recht-haben-wollen über das Wohl der eigenen Brut zu stellen… wenigstens, so könnte man zynisch sagen, würde sich ein mögliches Bullshit-Gen so schneller rausmendeln.

Wenn ich aber in solchen Diskussionen widerspreche und auf die Gefahren von Dummheit, Homöopathie und Schwurbeley hinweise, dann trifft mit Sicherheit nach kurzer Zeit immer mindestens einer der folgenden Sätze zu:

  • Jemand thematisiert meinen Namen.
  • Jemand noch den letzten Dünnschiss in Richtung eines „Meinungsfreiheitsarguments“.
  • Jemand macht sexistische Unterstellung.
  • Jemand versucht sich an einem paternalistischen Tonfall.
  • Jemand führt einen Reigen von wirren Pseudoargumenten auf. (Episch: „Seit wann stimmt, was in der Wikipedia steht?“, sobald man auf dort verlinkte Studien verweist.)¹

Interessanterweise gibt es ein Phänomen, dass sich Frauen, meistens nach kurzer Zeit als Mütter zu erkennen, zu Kleingruppen zusammenschließen und dann umso heftiger ihren wirren Bullshit verteidigen. Ich habe dazu keine belastbare Messung durchgeführt, kann also den Eindruck nicht wirklich verobjektivieren, aber es scheint, dass es hier einen Genderbias gibt, der ehe Frauen dazu bringt, an Hokuspokus zu glauben. Eine genderneutrale Erklärung für diesen Eindruck wäre mir sehr willkommen. Ich finde das nämlich arg verwirrend.

¹ Diese Dummheit bringt mich ja auf die Idee, ob man vielleicht einfach dadurch jeden beliebigen Schwachsinn entkräften kann, indem man ihn in der Wikipedia verlinkt… Ja, ich weiß, dass es so nicht funktioniert.

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Wie Licht die Motten…

Ich habe schon länger das Gefühl, dass ich Idioten verschiedenster Art anziehe wie das Licht die Motten. Ich habe lange gerätselt, woran das liegen mag, denn ich suche diese jämmerlichen Kreaturen gewiss nicht auf, um mich an ihrer Dummheit zu ergötzen. Ich versuche ja sogar noch, diese Wesen nach Kräften zu vermeiden, aber jeden Tag finden sich ein oder zwei dieser Wesen, die mir beharrlich nachstellen, bis ich Ihnen mit aller Breitseite übers Maul fahre. Dann bin ich zwar – mal wieder – das arrogante Arschloch, hab aber wenigstens meine Ruhe.

Nur wieso folgen mir diese Idioten?

Ich habe jetzt eine Theorie! Es muss an meinem Nachnamen liegen: Denker. Das ist mein „Mädchenname“, denn ich habe nie geheiratet oder sonst Anlässe gehabt, meinen Namen zu ändern. Wieso sollte ich auch? Eigentlich ist er ja ganz schön und passt lustigerweise zu meinem Beruf, den ich mir gewiss nicht aufgrund des Namens ausgesucht habe.

Ich vermute aber, dass es am Namen liegt und möchte eine Erklärung versuchen. Der Grund ist, dass den Idioten im Deutschunterricht immer wieder eingetrichtert wurde, in verhassten Dramen und Trauerspielen trügen Charaktere ihren Namen nie aus Zufall. Man denke doch nur an den „Wurm“ aus Schillers Kabale und Liebe. Da es aber nun den gemeinen Idioten auszeichnet, nicht eigenständig denken zu können beziehungsweise bloß für sich denken zu können, also in einer Art Wahnsinn des Eigendünkels ohne jede Möglichkeit der externen Korrektur zu ersaufen, merken sie nicht, dass das Leben sich trotz Hollywood und ultimativ perverser Kunstform (Žižek) nicht dem Drama gleicht und im Realen nicht hinter jeder Ecke der Witz eines Autors oder Autorenkollektivs lauert, sondern schnödester Zufall. Und so nehmen diese Idioten „nomen est omen“ für wahr, sehen Denker und fühlen sich sogleich provoziert – als ob es schon schlimm genug sei, dass jemand so heiße, aber wehe er sei auch noch auch nur einen Gran klüger „als wie der Normalo“(sic!), der man selbst sei.

Und so sülzte mich gerade mal wieder eine Frau voll und als ihr „Argument“ ihr schneller abhanden kam als einem Unionspolitiker die Wahrheitsliebe, schleimte es aus ihr heraus, wie es aus so vielen Idioten so schnell herausschleimt: „Na, Dein Name…“

I rest my case.

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Internet von lokalen Erzeugern

Als einige in Deutschland ansässige Anbieter von Internet-Dienstleistungen vor kurzem mit lautem Gegacker einen peinlichen Konfigurationsfehler fixten und endlich TLS für den Mail-Transport zwischen ihren Rechenzentren einschalteten, wurde klar, wie seitens deutscher Anbieter auf die Massenüberwachung reagiert werden soll: nämlich gar nicht. Wer TLS für die geeigneten Abwehrmittel gegen die NSA hält, hält auch de-Mail für siche…oh wait.

Worauf ich hinaus will, ist dieses: Die Marketingaktion läuft darauf hinaus, den Deutschen einen schlecht gemachten Aufguss des bio-Lebensmittel-Hypes zu verkaufen. Wir sollen ja Fleisch von lokalen Erzeugern kaufen, damit wir hinfahren können, um zu sehen, wie die Kühe wirklich leben müssen, bevor sie auf unserem Teller landen. Natürlich nur, wenn das nötige Einkommen, die nötige Zeit, die nötige Kooperationsbereitschaft des Erzeugers, … gegeben sind. Es würde mich wirklich überraschen, wenn man sich die Anzahl dieser „Begehungen“ nicht an einer Hand abzählen könnte. Die gleiche Geschichte bekommen wir jetzt mit dem Internet von lokalen Erzeugern. Es ist nur eben Bullshit, zu glauben, man könne sich vor Überwachung schützen, indem man zu einem Provider zieht, der an einem CIX hängt, zu dem die NSA einen Uplink hat.

Aber dann macht es aus anderen Gründen Sinn und der Sinn ist, dass die USA ein kapitalistisches Land sind, deren Informationswirtschaft seitens der Regierung durchaus gehört wird. Ziehen wir also alle unsere IT-Dienstleistungen, die wir eingekauft haben, aus den USA ab und gehen nach Europa, dann machen wir es der NSA zwar kein bisschen schwieriger, aber wir machen Druck auf die IT-Firmen, die sich bisher allzu tief gegenüber der eigenen Regierung bückten.

„Internet von lokalen Erzeugern“ ist technisch lächerlich und sicherheitsmäßig affig, aber übersetzt ein politisches Problem in eine Sprache, die vielleicht verstanden wird.

 

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